Seit Jahren ist auch in den Kreisen der Handlungsgehilfen der Wunsch
rege geworden, Streitigkeiten aus dem kaufmännischen Dienstverhältnisse
in beschleunigtem Verfahren und unter Zuziehung von Laienrichtern aus
dem Stande der Kaufleute und Handlungsgehilfen entschieden zu sehen.
Begründet wurde dieser Wunsch in gleicher Weise wie oben bei den Ge¬
werbegerichten angegeben ist. Dieses Streben der Arbeitnehmer im Kauf¬
mannsstande ist, wenn auch nach langen Kämpfen, von Erfolg gewesen;
denn am 1. Januar 1905 werden in allen Gemeinden von mehr als 20 000
Einwohnern Kaufmannsgerichte eingerichtet. Ihre Entscheidungen werden
gefällt von einem Vorsitzenden, der Jurist sein muß und weder Kaufmann
noch Handlungsgehilfe sein darf, sowie von mehreren Beisitzern, die in
gleicher Zahl aus dem Stande der Kaufleute und der Handlungsgehilfen
entnommen sein müssen. Im übrigen sind diese Gerichte ebenso einge¬
richtet wie die Gewerbegerichte, und es gelten auch die gleichen Vorschriften
über das Verfahren.
Die Berufungssumme betrügt abweichend von dem gewerbegericht¬
lichen Verfahren 300 Mark.
Die Kaufmannsgerichte sind zuständig für Streitigkeiten aus den:
Dienst- oder Lehrverhältnisse zwischen Kaufleuten einerseits und ihren
Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlingen andererseits, wenn die Streitig¬
keiten betreffen:
1. den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung des Dienst- oder
Lehrverhültnisses sowie die Aushändigung oder den Inhalt des Zeugnisses;
2. die Leistungen aus dem Dienst- oder Lehrverhältnisse;
3. die Rückgabe von Sicherheiten, Zeugnissen, Legitimationspapieren
oder anderen Gegenständen, die aus Anlaß des Dienst- oder Lehrver¬
hältnisses übergeben worden sind;
4. die Ansprüche auf Schadensersatz oder Zahlung einer Vertrags¬
strafe wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung der Verpflich¬
tungen, welche die unter Nr. 1 bis 3 bezeichneten Gegenstände betreffen,
sowie wegen gesetzwidriger oder unrichtiger Eintragungen in Zeugnisse,
Krankenkassenbücher oder Quittungskarten der Invalidenversicherung;
5. die Berechnung und Anrechnung der von den Handlungsgehilfen
oder Handlungslehrlingen zu leistenden Krankenversicherungsbeiträge und
Eintrittsgelder;
6. die Ansprüche aus einer Vereinbarung, durch die der Handlungs¬
gehilfe oder Handlungslehrling für die Zeit nach Beendigung des Dienst¬
oder Lehrverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird.
Gewerbegerichte und Kaufnmnnsgerichte dienen nicht nur zur Ent¬
scheidung von Rechtsstreitigkeiten, sondern es ist ihnen auch die Befugnis
gegeben, bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, bezie¬
hungsweise zwischen Kaufleuten und Handlungsgehilfen oder Handlungs¬
lehrlingen über die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des
Arbeitsverhültnisses und des kaustnünnischen Lehrverhültnisses auf Anrufen