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äußerung, besonders auch durch Schrift und Druck, zu verstehen ist, ist
durch Gesetz gewährleistet. In früheren Zeiten waren alle Preßerzeug-
nisse einer strengen Aufsicht unterworfen. Die Preßfreiheit geht aber
auch heutzutage nicht so weit, daß man durch Zeitungen, Bücher u. s. w.
veröffentlichen kann, was man will. Bei Aufforderung zum Ungehorsam
gegen Gesetz und Obrigkeit, zu strafbaren Handlungen, zum Klassenhaß,
bei Verbreitung von erdichteten oder entstellten Tatsachen, um Staats¬
einrichtungen verächtlich zu machen, bei Beleidigungen der Mitbürger,
Regenten, Gesandten u. s. w., bei Verrat von Staatsgeheimnissen, bei
Gotteslästerung, bei Verbreitung von unzüchtigen Schriften und Bildern rc.
tritt Bestrafung ein.
5. Die Freizügigkeit ist im Deutschen Reiche durch eine Be¬
stimmung des obersten deutschen Reichsgesetzes, der Reichsverfassung, be¬
stätigt. Diese lautet:
„Für den ganzen Umfang des Reichsgebiets besteht ein gemein¬
sames Jndigenat (d. i. die Staatsangehörigkeit) mit der Wirkung, daß
der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in
jedem andern Bundesstaat als Inländer zu behandeln und demgemäß
zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetrieb, zur Erwerbung von Grund¬
stücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genuß aller
sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Ein¬
heimische zuzulassen, auch inbetreff der Rechtsverfolgung und des Rechts¬
schutzes demselben gleich zu behandeln ist."
Nur solchen Personen, die unter polizeilicher Aufsicht stehen, und
Landstreichern kann der Aufenthalt in einem andern Bundesstaat ver¬
weigert werden. Die Gemeinden sind zur Abweisung eines neu Zu¬
ziehenden nur dann berechtigt, wenn sie nachweisen können, daß er nicht
hinreichende Kräfte besitzt, sich und den Seinigen den notdürftigen Unter¬
halt zu verschaffen.
6. Das Recht auf U n t e r st ü tz u n g (U n t e r st ü tz u n g s w o h n-
sitz). Es ist nicht menschlich, jemand, der sich nicht selbst ernähren kann,
untergehen zu lassen. Das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz be¬
stimmt daher, daß solche Personen, die sich durch Krankheit, Gebrech¬
lichkeit oder Unglücksfälle in einer hilflosen Lage befinden, durch die¬
jenigen Gemeinden, denen sie angehören, unterstützt werden. Wer inner¬
halb eines Ortsverbandes nach zurückgelegtem 24. Lebensjahre 2 Jahre
lang ununterbrochen seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, erwirbt
sich dadurch den Unterstützungswohnsitz, vorausgesetzt, daß er während
dieser Zeit nicht schon Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erhalten hat.
Durch zweijährige ununterbrochene Abwesenheit von einer Gemeinde geht
der Unterstützungswohnsitz auch verloren. Bei solchen Personen, die ihren
Wohnsitz oft wechseln, kann es vorkommen, daß sie gar keinen Unter¬
stützungswohnsitz haben. Diese heißen „landarm" und sind vom Staate zu
unterstützen.