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Freude malte er in lang entbehrter Ruhe den Großkanzler, dessen 
Gemahlin, Verwandte und Freunde; auch gingen mehrere historische 
Gemälde nach des Großkanzlers eigner Angabe aus der stillen Werkstatt 
hervor, so daß dieser nach Verlauf der drei Jahre sich einer Reihe von 
Meisterwerken erfreute, deren Besitz ihn mit jedem Tage mehr entzückte. 
Jetzt endlich dünkt es ihm Zeit, den seltenen Meister ans Licht 
treten zu lassen, dessen Dasein er ohne Ungerechtigkeit gegen ihn und den 
König nicht länger verborgen halten zu können glaubte. Er lud zu 
diesem Zweck den König und den ganzen Hof zu einem großen Feste ein 
und führte dann seine Gäste in einen Saal, wo Holbeins Gemälde, 
alle nach der Reihe geordnet, im höchsten Glanz ihrer frischen Farben¬ 
pracht ihnen entgegenleuchteten. 
Der König erstaunte beim Anblick so vieler Meisterwerke eines 
sogar dem Namen nach unbekannten Künstlers. Er wanderte unermüdet 
von einem zum andern; überall traten Bekannte ihm wie lebend aus 
dem Rahmen entgegen. Die Wahrheit, die Wärme des Kolorits, der 
Ausdruck der verschiedenartigsten Köpfe setzten ihn in immer neues Er¬ 
staunen. Die Anmut der schönen Frauen, die er hier dargestellt sah, 
entzückte ihn. Der Sammet, der Atlas, der Schmuck, die goldenen 
Stickereien glänzten ihm wie in der Wirklichkeit entgegen; er war außer 
sich vor Freude und Bewunderung. 
Mit echt hofmännischer Geschmeidigkeit bot jetzt Thomas Morus 
seinem Könige alle diese Gemälde zum Geschenke; und der Erfolg dieser 
anscheinenden Freigebigkeit, die natürlicherweise abgelehnt ward, ent¬ 
sprach vollkommen seiner Erwartung; denn der König fragte nur nach 
dem Meister, der so großes vermochte, und äußerte laut den Wunsch, 
diesen Mann in seinem Dienste zu wissen. Holbein ward aus seiner 
bescheidenen Entfernung herbeigerufen und war von diesem Tage an 
nicht nur der Hofmaler des Königs sondern auch sein Günstling, um 
den alle Großen und Vornehmen des Reichs sich drängten. Von nun 
an gab es keine schöne, reiche Frau mehr in England, die nicht von ihm 
gemalt sein wollte; die vornehmsten Familien stritten sich um die Ehre, 
ihm zu sitzen, und auch seine historischen Gemälde wie seine Handzeich¬ 
nungen wurden mit Guineen ausgewogen. Noch bis diesen Tag werden 
seine Werke von den reichen Engländern als der schönste Schmuck ihrer 
Paläste und Kunstsammlungen betrachtet; das ganze Volk hat sich ge¬ 
wöhnt, ihn, der so lange in seiner Mitte lebte, als sein ausschließliches 
Eigentum zu betrachten und seinen deutschen Ursprung zu vergessen, dem 
er eigentlich doch seine Kunstbildung verdankte. 
Daß er unzählige Aufträge des Königs vollführen mußte, die dieser 
auf das freigebigste belohnte, bedarf wohl keiner besondern Erwähnung. 
Oft malte er ihn selbst im königlichen Schmucke nach dem Leben; auch 
mußte er mit Wasserfarben die Wand eines Saales in dem jetzt zer¬ 
störten Palast von Whitehall mit sinnbildlichen Darstellungen schmücken.
	        
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