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erst gelangen, nachdem James Watt die Dampfmaschine wesentlich um¬
gestaltet und verbessert hatte. Aber auch die ersten Versuche, die man
in England machte, um die Dampfkraft für die Fortbewegung des
Schiffes zu benutzen, blieben ohne Nachahmung; ja es schien sogar, als
ob die ganze Errungenschaft wieder in Vergessenheit geraten sollte. Das
geschah jedoch nicht. Eine Wahrheit, die einmal Gestalt gewonnen hat,
mag eine Zeitlang verschwinden, aber sie kommt immer wieder zum
Vorschein. Neue Versuche wurden in Nordamerika gemacht und von
Robert Fulton in dem Maße vervollkommnet, daß er als der Erfinder
des Dampfschiffes bezeichnet wird. Zuerst ging es ihm dabei freilich
schlecht genug. Er teilte das Los der meisten Erfinder; man hielt ihn
für einen Narren, und keiner wollte ihm Geld zur Ausführung seiner
Erfindung vorschießen. Da wandte er sich an Napoleon I., der sich
damals mit einer Landung in England beschäftigte, um das ihm verhaßte
Jnselreich zu demütigen. Er versuchte, dem Kaiser klar zu machen, wie
leicht die Landung mit Hilfe von Dampfschiffen zu bewerkstelligen sei.
Aber er hatte auch hier kein Glück. Napoleon bezeichnete Fultons Er¬
findung als Schwindel und wandte sich von ihr ab. Fulton kehrte nun
nach Amerika zurück; und hier fand er endlich einen reichen Gönner, der
ihm das Geld zum Bau seines ersten Dampfschiffes vorstreckte. Es trug
den Namen „Clermont/ vom Volk aber wurde es „Fultons Narrheit"'
genannt. Der Spott verwandelte sich jedoch in Staunen und jubelnde
Begeisterung, als der Dampfer vor einer ungeheuren Menge von Zu¬
schauern seine erste Probefahrt aus dem Hudson machte und glänzend
bestand. Das geschah im Jahre 1807 am 7. Oktober. Der Clermont
hatte eine Länge von 44 m und eine Maschine von 18 Pferdekräften, ein
kleines erbärmliches Fahrzeug im Vergleich zu unsern Riesendampfern mit
ihren wundervollen Einrichtungen. Und doch muß man das Werk Fultons
als eine gewaltige Leistung anerkennen. Das von ihm gebaute Dampfschiff
hatte sich als ivirklich brauchbar erwiesen; der Dampf hatte in der Schiffahrt
seine Stellung errungen. Anfänglich langsam aber mit stets wachsendem
Erfolg brach sich die neue Erfindung Bahn, und nach 50 Jahren hatte sie
die Welt erobert. 1820 gab es in ganz England erst 43 kleine Schlepp¬
dampfer; 1819 kreuzte ein amerikanisches Dampfschiff, die „Savannah",
zuerst den Atlantischen Ozean. Es hatte zur Fahrt von Nerv-Jork bis
Bristol unter Mitbenutzung von Segeln 26 Tage gebraucht. Unsere heutigen
Schnelldampfer machen diese Fahrt in 5 Tagen. In Deutschland wurden
um diese Zeit Elbe, Oder und Rhein zuerst mit Dampfbooten befahren.
Die ersten Dampfer waren Raddampfer. Allmählich wurden die
Schaufelräder durch die Schiffsschraube verdrängt, die der österreichische
Ingenieur Ressel 1819 erfand. Durch die Anwendung der Schraube er¬
langte das Dampfschiff eine weit größere Seetüchtigkeit. Ein fernerer
Fortschritt bestand in der Verwendung des Eisens an der Stelle des
Holzes als Baumaterial. Dadurch wurde die Tragfähigkeit der Schiffe