Full text: Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend

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greifende Verwüstung im Innern gerichtet. Wie hätte man sich un 
die Dinge da draußen kümmern können, wo die anderen gerade dabei 
waren, sich in den Besitz der Länder unseres Planeten zu setzen. 
Wesentlich andere Gesichtspunkte als die eben aufgeführten füt 
Auswanderer⸗ oder, wie man sie nennt, Ackerbaukolonieen kommen fül 
Plantagenkolonieen in Betracht. Galt es bei jenen den überschuß der 
Bevölkerung so unterzubringen, daß er der eigenen Nationalität treu 
zu bleiben vermag, so ist der Zweck dieser ausschließlich die Vermehrun 
des Wohlstandes des Mutterlandes. Gemeinsam ist letzten Endes beiden 
Arten der Kolonialpolitik, daß sie in der Verfolgung ihres unmittelbarel 
Zieles zur Kultivierung fremder Länder führen, und hierin liegt das 
nche Moment bei baden. Verschieden ift aber zunächst die Auswahl 
der für die beiderseitigen Zwecke in Frage kommenden Landgebiet 
Denn, während der Auswanderer sich Verhältnisse sucht, welche denen 
des Mutterlandes möglichst gleichartig sind, um seine alten Lebens 
bedürfnisse wiederzufinden, also Länder gleicher Zone aufsucht, will der 
Pflanzer gerade Produkte bauen, welche in der Heimat nicht vorkommen 
muß demnach an andere und zwar an die tropische Zone sich wenden 
um für diejenigen Bedürfnisse Sorge zu tragen, welche durch den Ackel⸗ 
bau der Heimat nicht befriedigt werden können. Wie stark dieser Teil 
der Konsumartikel für ein Volk wie das deutsche ist, kann jedes Kind 
beim Gange durch die Straßen einer Stadt, ja eines Dorfes, erkennen 
wenn es sich den Inhalt eines sogenannten Kolonialwaren⸗Ladens 
einmal ansieht. 
Was im Hinblick auf die in obigem angestellten Erwägungen ins 
besondere Deutschland anbetrifft, so geben wir laut Reichsstatistik für⸗ 
Jahr 1892 nach amtlicher Berechnung für unseren Bedarf an Kolonial⸗ 
aleln jhrlich über 860 Millionen Mark aus, für Kaffee rund 
225 Millionen, für Kakao 11 Millionen, für Thee 5 Millionen, füt 
Tabat 110 Millionen, für Baumwolle 200 Millionen, für Rei 
55 Millionen, für Mais 80 Millionen, für Gewürze 10 Millionen 
Diese Artikel müssen wir zur Zeit vollständig von ausländischen Kolonieen 
beziehen, wobei das Ausland mehr als ein Drittel dieser Summe jähr⸗ 
lich daran verdient, d. h. also, daß Deutschland jährlich an 300 Millionen 
Mark beim Einkauf seiner Kolonialwaren ans Ausland verliert, daß 
demnach das deutsche Volk, wenn wir auch nur imstande wären, unsern 
eigenen Bedarf an solchen Artikeln selbst zu bauen, am Abschlusse eines 
jeden Jahres um 300 Millionen reicher sein würde, als es heute ist 
Des sittlichen Ergebnisses kolonialer Unternehmungsarbeit habe ich 
schon kurz gedacht. Es besteht in der Rückwirkung auf den eigenen 
Volksgeist, wie sie solche über die engen Grenzen hinausgehenden, die 
Erde umspannenden Bestrebungen noch zu allen Zeiten ausgeübt 
haben.
	        
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