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Einteilung ist aus mancherlei Gründen innerhalb eines Kreises von Er—
wachsenen nicht thunlich.)
Dennoch wird der Gesamteindruck des Buches vielleicht zu der
Annahme führen, als hätten wir ein zu hohes Bildungs-Niveau der
Schülerinnen vorausgesetzt. Es muß deshalb betont werden, in wie er—
freulicher Weise sich die Durchschnittsbildung der weiblichen Jugend seit
zwei Jahrzehnten gehoben hat. Diesem unverkennbaren Fortschritt mußten
wir im Hinblick auf die weitere Entwickelung des weiblichen Fortbildungs—
schulwesens zu entsprechen suchen. Dabei ist ein besonderer Umstand noch
in Fortbildungsschulen wie in vielen ähnlichen Anstalten zu berücksichtigen.
Die geistige Reife der Schülerinnen darf nicht nach dem oft geringen
Umfang ihres schulmäßigen Wissens beurteilt werden. Je nach der
Stufe der intellektuellen Entwickelung muß die Lektüre gehalten werden,
um vor allem lebendiges Interesse zu erregen. Zur Ergänzung des
Wissens genügt oft der Hinweis der Lehrerin auf ein Hilfsbuch und eine
Repetition geschichtlicher, geographischer Einzelheiten u. s. w, die meist nur
dem Gedächtnis entschlüpft waren.
Auch mag es widerspruchsvoll erscheinen, daß wir ein so entschiedenes
Gewicht auf neue Lesestoffe gelegt und dennoch manche ältere in Poesie
und Prosa aufgenommen haben. Dabei leitete uns eine psychologische
und eine pädagogische Beobachtung. Man geht auf Reisen, man sucht
fremde Länder und Menschen auf, um sich an ganz neuen Eindrücken zu
bereichern, an ihnen zu lernen. Und mitten in der fremden Umgebung
begegnet uns plötzlich ein Bekannter: wie wohlthuend heimelt uns das
unerwartete Zusammentreffen an. So gereichte es unseren Schülerinnen
zu besonderer Freude, in völlig ungeahntem Zusammenhange — mit einem
volkswirtschaftlichen Thema etwa — den „Schatzgräber“ zu entdecken. Wie
anders lernen sie ihn, bei geschickter Behandlung, jetzt verstehen!
Und sollte es vielleicht Bedenken erregen, daß wir hin und wieder
einen englischen oder französischen Schriftsteller benutzt haben, sowie Beiträge,
die den Vorzügen anderer Nationen in so hohem Maße gerecht werden,
wie z. B. der Aufsatz Heinrich v. Sybels „Was wir von den Franzosen
lernen können“ und K. Hillebrands „Familie und Sitte in Frankreich“?
Freilich giebt es eine Art von Patriotismus, der jeden Vergleich
mit anderen Völkern ausschließt, im Vollbewußtsein der eigenen Unüber—
trefflichkeit Gar manche unserer Schul-Lesebücher tragen das Gepräge eines
solchen Chauvinismus. Wir haben indes nicht gefunden, daß er auf unsere
Jugend einen innerlich gesunden Einfluß geübt hat. Die gedächtnismäßige
Aneignung patriotischer Gedichte in allzu reicher Fülle stumpft den jugend—
lichen Geist eher ab. „Die Nationalerziehung geschieht nicht durch
künstliche Mittel, sondern am mächtigsten durch die Geschichte
der Gegenwart, in welcher die Jugend aufwächst und durch die
geistige Atmosphäre, die sich von selbst aus den Gesinnungen
und Handlungen des älteren Geschlechts erzeugt.“ (Adolf Trendelen—
burg.) Diese Atmosphäre und der Pulsschlag der Geschichte werden hoffent—
lich in unserem Buche nicht vermißt werden. Die Liebe zum Vaterlande
muß, nach unserer Überzeugung, so unerschütterlich fest in den Herzen der