Full text: [Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband]] (Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband])

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83. Die Größe des Meeres in der Geschichte. 419 
ganz auf der geschichtlichen Wirkung der Trennung und Verbindung durch 
den Atlantischen Ozean. 
Der Flächenraum jedes Meeres und jedes Meeresteils hat seine ge¬ 
schichtliche Bedeutung. Von Küste zu Küste und von Insel zu Insel ist die 
Geschichte über die Meere hingewachsen, zuerst über die engen, dann über 
die weiten, und auf die Verbindung durch das Meer blieben so entstandene 
Staaten hingewiesen. Das Mittelmeer hielt die Teile des römischen Reichs 
zusammen, so wie heute das Weltmeer die Kolonien des britischen Weltreichs 
zusammenhält. Von den drei großen Meeren ist das kleinste, der Indische 
Ozean, am frühesten geschichtlich geworden, der Atlantische folgte, und die 
Entdeckung und Querung des mehr als zwei Drittel der Erde bedeckenden 
Stillen Ozeans war die letzte große Tat aus dem Gebiete der umfassenden 
geographischen Entdeckungen. Ehe die großen Meere in das Licht der Ge¬ 
schichte traten, hatten sie ihre stillen Wirkungen wohl schon durch ungezählte 
Jahrtausende aus die Verbreitung der Völker geübt, und wir erkennen deren 
Spuren noch in der heutigen Rassenverteilung. Darin liegt die menschheits¬ 
geschichtliche Bedeutung der Entdeckung Amerikas, daß sie in dem Verhältnis 
der großen Völkergruppen zu den beiden großen Ozeanen, und damit in der 
Stellung zur ganzen bewohnten Welt, eine gänzliche Verschiebung hervorbrachte. 
Bis 1492 stand Amerika seiner Menschheit nach am Ostrande der bewohnten 
Welt, bildete den Orient der Ökumene (bewohnte Erde), mit der es der Stille 
Ozean verband; der Atlantische aber gähnte wie eine Kluft zwischen Amerika 
und dem Westrande der Ökumene in Europa und Afrika. Die normannischen 
Grönland- und Vinlandfahrten I überfuhren sie, überbrückten sie aber nicht. 
Seit 1492 zog die Kolonisation einen Faden um den andern über den Atlan¬ 
tischen Ozean, alle frisch und lebensfähig, während die alten Verbindungen 
über den Stillen Ozean abstarben und vergessen wurden. Die zunehmende 
Einwanderung hat in den ersten Jahrhunderten fast nur transatlantische Be¬ 
ziehungen gekannt und gekräftigt, und kein Land hat mehr getan, Amerika 
vom Ostrande zum Westrande der Ökumene hinüberzuziehen, als die atlan¬ 
tischesten oder europäischesten aller Kolonien in Nordamerika. Das Vordringen 
an den Stillen Ozean und die Verdrängung, fast Vernichtung der alten 
Bewohner kann auch als ein Sieg der Atlantiker auf altpazifischem Boden 
aufgefaßt werden. 
Wir haben die erdgeschichtliche Bedeutung der drei Mittelmeere kennen 
gelernt; ihre menschheitsgeschichtliche ist nicht geringer. Diese ist im euro¬ 
päischen Mittelmeer am frühesten verwirklicht worden, von dessen Gestade- 
1) Vinland, eine Ansiedelung der Normannen in Nordamerika ums Jahr 1000. 
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