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als auf den Wert ihrer Erzeugnisse, rasch erlahmen. Nur noch einzelne
Begebenheiten, welche die öffentliche Meinung tiefer erregen, treiben
dann auch wieder anziehendere oder wenigstens, wie die Türkennot,
zahlreichere Dichtungen hervor. So geht es fort, bis dann für die
Niederlande mit ihren Freiheitskriegen, für Deutschland selbst mit dem
dreißigjährigen Kriege eine fast überreiche Ernte politischer Volkspoesie
beginni. Die erwähnte Zunahme der Zahl der seit dem Ende des
15. Jahrhunderts erhaltenen Dichtungen hat natürlich zum Teil ihren
Grund in dem Beginn des Buchdrucks.
Bei den prosaischen Zeitungen bietet gleichfalls das 16. Jahr⸗
hundert die größte Fülle, sowohl in Bezug auf die Menge, als auch
auf die mehr oder minder geistvolle Art der Darstellung. Verfolgungen
freilich waren die Zeitungen schon in alter Zeit ausgesetzt. Als im
Jahre 1493 der Plan des Herzogs Albrecht von Sachsen, seinem Sohne
die einträgliche Stelle eines Koadjutors zu Würzburg zu verschaffen,
an dem Widerstande des dortigen Domkapitels scheiterte, erschien im
Frühjahre 1494, aus Bamberg kommend, ein Mädchen zu Würzburg,
welches ein fliegendes Blatt mit einem Gedichte auf diese Begebenheit
feilhielt. Der Bischof ließ sogleich die Verkäuferin greifen und die bei
ihr noch vorgefundenen Exemplare verbrennen, ersuchte auch den Bischof
Veit von Bamberg um Bestrafung des schuldigen Bamberger Druckers.
Der Autor selbst wurde trotz strengster Untersuchung nicht entdeckt.
Ähnliche Untersuchungen mochten nicht selten vorkommen, und die Ver—
fasser mancher Lieder gebrauchen oft die Vorsicht, ihren Namen zu ver—
schweigen. So schließt einer sein Gedicht:
„Do mit hat sich dieser Spruch geendt.
Der Dichter bleibt hier ungenannt.“
Ein anderer schließt:
„Gott sei gelobt, sprecht alle amen,
Dieses Spruchs Dichter hat keinen namen.“
A. Richter, Bilder aus der deutschen Kulturgeschichte.
14. Straßburg, die Königin des Oberrheins.
An der Stelle, wo der Rhein nach der Aufnahme der Ill eine
ungehinderte Schiffahrt zu gestatten anfängt, wo seine Ufer nicht mehr
sumpfig und leicht zu überbrücken sind, und die Nähe des Hauptpasses
der Vogesen bei Zabern die bequemste Verbindung zwischen dem Innern
Deutschlands und Frankreichs gewährt, entstanden bereits in der ersten
Hälfte des fünften Jahrhunderts die alemannischen Ansiedelungen um
den alten keltischen Kern, aus welchen sich die spätere freie Reichsstadt
Straßburg entwickelte.