Full text: Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend

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unerschöpflicher Herzenswärme vertrat jedoch Wilberforce seine Sach 
innerhalb und außerhalb des Parlaments durch das lebendige Worh 
wie durch zündende Schrift. Sein Werk: „Die Religionsbegriffe il 
den höheren und mittleren Ständen Englands gegenüber dem wahren 
Chriftentum“ erlebte in England mehr als zwanzig starke Auflagen 
ebenso viele in Amerika und ist in die meisten europäischen Sprachen 
übersetzt worden. Welche namenlosen Anstrengungen es aber kostet, 
menschenunwürdige Zustände zu beseitigen, möge man an der Thatsach 
ermessen, daß Wilberforce von seinem zwanzigsten Jahre — 1780 “* 
wo er in das Parlament eintrat, bis zum 15. Juni 1825, wo er seine 
letzte Rede im Parlament hielt, unablässig für seine höchste Lebensauf 
gabe, die Emanzipation der Sklaven, kämpfen mußte. 
Dann übernahm sein Freund und Nachfolger Burton die weiter 
parlamentarische Leitung der Sklavenangelegenheit. 
Wilberforces Rücklritt erregte allgemeines Bedauern; die Segens 
wünsche Tausender begleiteten den Edlen in das Privatleben, und sehl 
passend erinnerten seine Genossen an die Grabschrift, welche die Karthagel 
ihrem Feldherrn Hannibal geweiht: „Wir vermißten ihn am Tag 
der Schlacht.“ 
Noch fast zehn Jahre währte der Kampf zu Gunsten eines gemiß⸗ 
handelten Teiles der Menschheit. Doch der Ausgang war nicht mehl 
weifelhaft. Es war am 26. Juli 1833, als man dem sterbenden 
Wilberforce die Nachricht brachte, soeben habe die Bill über Freilassun 
der Sklaven gegen eine hohe Entschädigungsumme an die westindischen 
Pflanzer die zweite Lesung passiert. Er durfte sich sagen, daß es seinen 
unermüdlichen Anstrengungen gelungen sei, 800000 niedergetretenen Mi⸗ 
menschen zu einem besseren Dasein verholfen zu haben. „Ich dank 
Gott“, sagte er mit erlöschender Stimme, „daß er mich den Tag er— 
leben ließ, an welchem England bereit ist, ein Opfer von 20 Millionen 
Pfund für die Befreiung von der Schande der Sklaverei zu bringen.“ 
Drei Tage später erlosch sein Leben. 
In tiefer Erschütterung vernahm England die Trauerkunde vom 
Tode des unvergeßlichen Mannes. Obwohl er, treu seinem einfachen 
bescheidenen Sinne, gegen die Familie den Wunsch ausgesprochen, ohn 
jeden Pomp beerdigt zu werden, folgten doch die Mitglieder beidel 
Häuser des Parlaments, die hervorragendsten Männer aller Parteien 
dem Leichenbegängnis, und einem feierlichen Parlamentsbeschlusse ge⸗ 
mäß, wurde seine sterbliche Hülle in der Westminsterabtei, der Ruhmes 
halle Englands, beigesetzt. Die Grafschaft York errichtete zu seinen 
Gedächtnis ein Versorgungshaus für Blinde und seine Vaterstadt Hull 
eine Denksäule. In Westindien und New-York legte die farbige Be— 
völkerung Trauer an um den dahingeschiedenen Vorkämpfer für ihre 
Freiheit und ihre Menschenrechte.
	        
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