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und Dichtkunst einer späteren Zeit erst werden den rechten Ausdruck
finden für den tragischen Abschluß eines so glanzvollen Lebens.
Ani 9. März 1888 schloß der greise Herrscher, der erste Kaiser
des neuen Deutschen Reiches, seine gottgesegnete Laufbahn. Eine
tiefe Erschütterung ging durch das Land.
Unter den Schauern der stürmischen Nacht vom 11. Mürz eilte
Kaiser Friedrich mit seiner hohen Gemahlin aus dem milden Süden
nach dem noch winterlichen Norden. Eine bange, gefahrvolle Reise.
Doch wie von guten Geistern beschützt, kehrte der geliebte Monarch
in die Heimat zurück.
Überwältigend waren die Eindrücke jener Tage.
Schon am 12. Mäürz erschienen die denkwürdigen Erlasse: „An
mein Volk“ und „An den Reichskanzler“, in welchen Kaiser Fried—
rich seinen eigensten Gesinnungen ergreifenden Ausdruck gab. Sie
waren sein Testament. Nur wenige Monate sollte er noch auf Erden
weilen. Die aufopferndste Liebe der Gattin, die Kunst der Ärzte,
die heißen Gebete seines Volkes konnten uns den Kaiser Friedrich
nicht retten. Am 15. Juni hauchte er sein edles Leben aus. „Deutsch⸗
land hat in ihm den besten Fürsten verloren. Er würde der neue
Titus unserer Zeit geworden sein.“ (Gregorovius.)
Um dreizehn Jahre sollte die Kaiserin Friedrich den geliebten
Gatten überleben.) Nun galt ihr Wirken ganz den gemeinnützigen
Veranstaltungen, denen sie ihren Namen und ihren Schutz verliehen
hatte. Selbst im Witwenschleier, kam sie dennoch als Freudenspen—
berin zu der Weihnachtsfeier dieser Institute, verteilte mit eigener
Hand die Süßigkeiten unter die kleinen Kinder des Kindergartens
oder die jungen Mädchen der Fortbildungsschule, hatte für jeden
einen liebevollen Blick, und gerade für die Kränklichsten, Blassesten,
Schüchternsten ein freundlich-ermutigendes Wort.
Oft aber weilte sie fern von Berlin, in ihrem schönen Schlosse
Cronberg, das sie sich, ganz nach ihrem Sinn, in hoher, künstlerischer
Vollendung mitten in einem herrlichen Parke hatte erbauen lassen.
Und dort, in diesem Lieblingssitz ihrer Witwenzeit, ertrug sie mit
Heroismus das qualvolle Leiden, das die kräftige, immer noch
sugendlich anmutige Frau im 61. Jahre ihres Lebens dahinraffen
sollte. Spärliche Nachrichten nur drangen in die Ferne. Als sie
aber am 5. August 1901 die Augen schloß, da fühlten es alle: ein
starker, hoher, ein besonderer Geist hat in dieser kaiserlichen Frau
gelebt. Zu tiefem Dank ist ihr die deutsche Frauenwelt verpflichtet.
Ulrike Henschke.
(Mit Benutzung von Th. Martin, v. Stockmar, Delbrück, R. Rodd u. a.)
1) Der letzte Abschnitt geschrieben von Margarete Henschke.