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oder alle übrigen. Haley ist in Besitz einer Hypothek gelangt, und
wenn ich sie nicht sofort an ihn abtrage, so wird er dafür alles
nehmen; ich habe zusammengescharrt und geborgt und beinahe ge—
bettelt — und der Preis dieser beiden war nötig, um die Summe
voll zu machen, und ich mußte sie abtreten. Haley fand Gefallen
an dem Kinde; er willigte ein, die Sache auf diese Weise, und nur
auf diese, zu ordnen. Ich befand mich in seiner Macht und mußte
es tun. Wenn es dir solchen Schmerz bereitet, daß sie verkauft wer—
den, wie würde es dir gefallen, wenn sie alle verkauft würden q
Mrs. Shelby stand wie vom Schlage getroffen da, endlich wen—
dete sie sich nach ihrem Toilettentisch um, verbarg ihr Gesicht in
den Händen und stöhnte tief auf. „Das ist Gottes Fluch, der auf
der Sklaverei lastet! es ist eine bittere, bittere, mit tiefem Fluche be—
ladene Sache, ein Fluch für den Herrn wie für den Sklaven. Ich
war eine Törin, zu denken, daß ich aus einem so furchtbaren Übel
etwas Gutes machen könnte! Es ist eine Sünde, unter Gesetzen wie
die unseren, einen Sklaven zu besitzen. Ich habe stets gefühlt, daß
es so sei. Ich habe stets so gedacht, als ich noch ein Mädchen war
— ich habe mich noch mehr davon überzeugt, nachdem ich mich ver—
heiratet hatte, aber ich dachte, daß ich es übergolden könne — ich
glaubte, durch Güte und Fürsorge und Unterricht die Lage der mei—
nen besser machen zu können — ich Törin!“
„Ich habe nicht besonders viele Juwelen,“ fügte sie nachdenk—
lich hinzu, „aber würde diese Uhr nicht etwas helfen? — sie hat
viel gekostet, als sie gekauft wurde; wenn ich nur wenigstens Elizas
Kind retten könnte, so würde ich alles, was ich besitze, opfern.“
„Es tut mir leid, sehr leid, Emilie,“ sagte Mr. Shelby, „es
tut mir leid, daß dieser Gedanke dich so ganz erfüllt, aber es wird
nichts nützen; siehst du, Emilie, die Sache ist geschehen, der Verkaufs—
kontralt ist bereits unterzeichnet und in Haleys Händen, und du mußt
Gott danken, daß es nicht schlimmer steht. Der Mann hat es in
seiner Macht gehabt, uns ganz zu ruinieren, aber jetzt ist er uns vom
Halse. Wenn du den Mann so gut kenntest wie ich, so würdest du
denken, daß wir nur mit genauer Not entronnen sind.“
„Ist er denn so hart?“
„Nun, er ist nicht gerade ein grausamer Mann, aber ein Mann,
der sich um nichts kümmert als um Vorteil und Gewinn — kalt,
rücksichtslos und erbarmungslos wie der Tod und das Grab.“
„Und diesem Elenden gehört nun der gute, treue Tom und
Elizas Kind?“
„Ja, Liebe, es kommt mir allerdings schwer an; es ist eine
Sache, an die ich ungern denke. Haley möchte das Geschäft rasch
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