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der 3. Klasse in die zweite berufen werden. Die Wahlen der Wahl—
männer sind geheime, d. h. sie erfolgen durch Stimmzettel, die zusammen—
gefaltet in die Wahlurne gelegt werden. Wählbar als Wahlmann ist jeder
Ürwähler, gleichviel welcher Wahlklasse er angehört.
Sind die Wahlen der Wahlmänner erfolgt, so treten diese zur Wahl
des eigentlichen Abgeordneten zusammen. Auch diese Wahl ist eine ge—
heime. Wählbar als Abgeordneter ist jeder Urwähler, der das 30. Lebens
jahr vollendet hat, mindestens 30 Mark jährlich direkte Staatssteuern ent—
richtet und seit 3 Jahren sächsischer Staatsangehöriger ist.
Der Landtag tritt aller zwei Jahre zusammen; doch ist der König berechtigt,
in besonders dringlichen Fällen auch außerordentliche Landtage einzuberufen.
Beide Kammern verhandeln getrennt. Geleitet werden die Verhandlungen
durch Präsidenten. Der Präsident der 1 Kammer wird vom Könige ernannt;
der Präsident der 2. Kammer wird von den Mitgliedern derselben gewählt.
Die Wirksamkeit der beiden Kammern erstreckt sich auf die Ge—
setzgebung und auf das Finanzwesen des Staates. Ohne Zustimmung des
Laͤndtages kann kein Gesetz erlassen, abgeändert oder aufgehoben werden.
Der Autrag auf Aufhebung oder Abänderung bestehender und Einführung
neuer Gesetze geht gewöhnlich von der Regierung aus; aber auch die
Kammern koöͤnnen die Vorlage neuer Gesetze, sowie die Abänderung oder
Aufhebung bestehender beantragen. Jedes Gesetz hat die Zustimmung
beider Kammern nötig; sind die Kammern geteilter Meinung, so ist durch
eine aus Mitgliedern beider Kammern bestehende Deputation eine Ver—
einigung herbeizuführen.
In Bezug auf das Finanzwesen haben die Kammern den Voranschlag
für den Staatshaushaltplan (Ausgaben und Einnahmen) auf die nächsten
2 Jahre (Finanzperiode) zu prüfen, zu genehmigen, abzuändern oder zu
verwerfen. Auf Grund dieses Voranschlages (Budget) haben die Kammern
sodann die nötigen Steuern zu bewilligen. Ohne Zustimmung der Land—
stände dürfen die bestehenden direkten oder indirekten Landesausgaben
weder verändert, neue weder ausgeschrieben noch erhoben werden.
Ferner haben die Stände die Befugnis, Beschwerden über das Ver—
fahren von Staatsbehörden anzubringen und schriftliche Gesuche (Petitionen)
und Beschwerden der Unterthanen zu prüfen, zu verwerfen oder der Staats—
regierung zur Erwägung oder Berücksichtigung zu empfehlen.
Das Recht, die vom Landtage beschlossenen Gesetze zu vollziehen, be—
kannt zu geben und zu handhaben, gebührt dem Könige, ohne dessen Zu—
stimmung kein Gesetz Rechtskraft erlangen kann.
Die Publikation (öffentliche Bekanntmachung) der Gesetze und etwa
dazu erlassener Ausführungsverordnungen erfolgt durch das „Gesetz- und
Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen“.
Die Ausführung der Gesetze, mithin die gesamte Verwaltung
des Staates, wird von 6 Ministerien ausgeübt: den Ministerien des
Innern, der Justiz, der Finanzen, des Kultus und öffentlichen
Ünterrichts, des Kriegs und der auswärtigen Angelegenheiten.
Jedem Ministerium steht als oberster Staatsbeamter ein Minister vor.
Sämtliche Minister bilden das Gesamtministerium, das alle wichtigen
Staatsaugelegenheiten zu beraten, insbesondere die Gesetz und Budgetvorlagen
auszuarbeiten hat. Aus „Gesetzeskunde und Volkswirtschaftslehre“ von Emil Rasche.
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