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ich könnte auch, wie ihr, diese erste Nacht des Jahres mit trockenen Augen
verschlummern, wenn ich gewollt hätte; ach, ich hätte glücklich sein können,
ihr teuern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte
In seinem reuevollen Andenken an seine Jünglingszeit kam es ihm
vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; endlich
wurde sie in seiner Einbildung zu einem lebendigen Jünglinge, und seine
vorige, blühende Gestalt wurde ihm bitter vorgegaukelt.
Er konnte es nicht mehr sehen, er verhüllte das Auge, tausend heiße
Thränen strömten versiegend in den Schnee, er seufzte nur noch leise, trostlos
und sinnlos: Komm nur wieder, Jugend, komm wieder!
Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht so
fürchterlich geträumt — er war noch ein Jüngling Nur seine Verirrungen
waren nicht bloß ein Traum gewesen. Aber er dankte Gott, daß er noch
jung war und von den schmutzigen Gängen des Lasters umkehren und sich
auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die ins reine Land der ewigen
Ernten führt.
Kehre mit ihm um, junger Leser, wenn du auf seinen Irrwegen stehst.
Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter werden! Aber wenn
du einst jammervoll rufen würdest: Komm wieder, schöne Jugendzeit! —
sie würde nicht wiederkommen. Jean Paul.
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Die Lerche stieg am Ostermorgen
Empor ins klarste Luftgebiet,
Und schmettert', hoch im Blau verborgen,
Ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen
Es tausend Stimmen nach im Feld:
Wach' auf, das Alte ist vergangen,
Wach' auf, du froh verjüngte Welt!
17. (26.) Ostermorgen.
Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,
Die ihr im Winterschlafe säumt,
In dumpfen Lüsten, dumpfen Schmerzen
Ein gottentfremdet Dasein träumt!
Die Kraft des Herrn weht durch die Lande
Wie Jugendhauch, o laßt sie ein!
Zerreißt wie Simson eure Bande
Ünd wie die Wler sollt ihr sein!
Wacht auf, ihr Geister, deren Sehnen
Gebrochen an den Gräbern steht;
Ihr trüben Augen, die vor Thränen
Ihr nicht des Frühlings Blüten seht;
Ihr Grübler, die ihr fernverloren
Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn
Wacht auf, die Welt ist neugeboren;
Hier ist ein Wunder, nehmt es an!
Wacht auf und rauscht durchs Thal, ihr
Bronnen,
Und lobt den Herrn mit frohem Schall!
Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen,
Ihr grünen Halm' und Läuber all!
r Veilchen in den Waldesgründen,
Ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot,
Ihr sollt es alle mit verkünden:
Die Lieb' ist stärker als der Tod.
Ihr sollt euch all' des Heiles freuen,
Das über euch ergossen ward;
Es ist ein inniges Erneuen
Im Bild des Frühlings offenbart.
Was dürr war, grünt im Wehn der Lüfte,
Jung wird das Alte fern und nah
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte —
Wacht auf! Der Ostertag ist da!
Geibel.
18. (11.) Heilige den Feiertag!
2 Nicht menschliche Einrichtung ist der Sabbath: er ist Gottes heilige
Stiftung. Der hat ihn gegründet durch seine Ruhe am siebenten Schöpfungs—
tage. Darum gebietet er zuerst Ruhe. Ruhe braucht jede Kreatur. Ruhe
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