fullscreen: Geographische Charakterbilder aus Europa (Teil 2)

48 
Nord - Europa. 
enthüllte sich uns — in genau nordwestlicher Richtung — der Bergriese 
in seiner vollen Pracht. In ungeheurer Ausdehnung lag die ge- 
waltige Eismasse vor unseren Blicken. Einzelne Strecken waren mit 
Schnee bedeckt, aber nur an zwei Stellen unterbrachen dunkle Felsen 
die starre weiße Fläche, während der Snlitelma aus stolzer Höhe 
ernst und düster auf das Eismeer zu seinen Füßen herabschaute. 
Wunderbar war der Aublick, als die Sonne das mächtige Scbnee- 
und Eisfeld mit ihren Strahlen berührte: schimmernd und gleißend 
leuchtete es auf in zauberhaftem Scheine, funkelnd nnd blitzend das 
Ganze wie ein einziger riesiger Topas. 
Etwas weiter gelangten wir zu dem Gipfel eines anderen, gleich- 
falls zu dieser großen Bergkette gehörenden Hügels und nahmen von 
hier aus einen kleinen Gletscher wahr, der von Norden nach Nord- 
Nord-Ost sich streckte. Über hügeliges, ödes Terrain ging es dann 
wieder vorwärts an zahlreichen kleinen Seeen vorbei. 
Der Weg wurde immer beschwerlicher, Blöcke jeder Form und 
Größe bedeckten stellenweise, hoch übereinander gehäuft, den Boden 
und die Seiten der steil abfallenden Hügel, deren einer sich dicht an 
den andern reiht. Flechten wuchsen nur spärlich auf deu nackten 
Felsen, in den Thalgründen aber war — obgleich bereits Mitte 
August — das Gras kaum grüu, und nur wenige wilde Blnmen 
waren sichtbar. 
Von allen traurigen, öden Landschaften, die ich bis jetzt gesehen, 
schien mir diese die schrecklichste; sie machte eiueu wahrhaft über- 
wältigenden Eindruck durch ihre Trostlosigkeit. Eiu unbeschreiblich 
grauenvoller Zauber lag in der Einsamkeit, dem erhabenen Schweigen 
ringsum; nackte Granit- und Gneisfelsen umgaben gleich einem Rahmen 
das todestraurige Bild; soweit das Auge reichte, bedeckten mächtige 
Blöcke in Haufen den Boden. Über diese hinweg führte fast nnnnter- 
Krochen unser Weg; von Stein zu Stein springend, kenchten wir 
vorwärts, bis unsere Füße wuud wurden von der gewaltigen An- 
strengung. Meine seitherigen, auf mühevollen Wanderungen gemachten 
Erfahrungen sanken in nichts zusammen; keine der vielen Beschwerden, 
die ich bis jetzt kennen gelernt, ließ sich mit dieser vergleichen; zwar 
hatte ich steinigeres Terrain und steilere Hügel schon gesehen, für 
kurze Strecken vielleicht auch mit noch mehr Schwierigkeiten mir einen 
Pfad suchen müssen, noch niemals aber war mir ein alle Beschwerden 
vereinigendes Gebiet von solcher Ausdehnung vorgekommen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.