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In der Gesellenherberge.
113. In der Gesellenherberge.
Timmo klopfte in der Herberge an die Stubentür, trat ein
und sagte: „Schönen guten Abend, Frau Mutter! ist der Herr
Vater nicht da?“
Die er so begrübte, war eine älteère, aber noch rührige Frau
mit rundem, rotem Kopf und glänzenden Augen darin. Von ihrem
Haar war nichts zu sehen, denn sis hatte ein gelbes Tuch um den
Kopf geschlungen, daß der Knoten gerade auf dem Scheitel sab
und die zwei langen Zipfel wie ein Paar Hörner steif zu beiden
geiten standen. „Der Herr Vater ist nicht zu sprechen,“ sagte
sie, „er hat einen Hexenschuß im Kreuz und liegt zu Bette; aber
dis Herbergsmutter hat auch noch keinem ehrlichen Schuster-
knecht ein Bein ausgerissen.“
„So wollt' ieh Vuch ganz freundlieh angesprochen haben,
FPrau Mutter,“ sagte Timmo, indem er sich mit geschlossenen
Hacken vor sie hinstellte, don Hut in der Hand und den Ranzen
unter dem linken Arm, „von wegen des Handwerks, ob Ihr mich
und mein Bündel heute wollet beherbergen, mich auf der Bank
und mein Bündel unter der Bank; ich will mich halten nach Hand-
werks Gebrauch und Gewohnheit, wie es einem ehrlichen Schuster-
knecht zukommt, mit keuschem Mund und reiner Hand.“
„Sei willkommen wegen des Handwerks!“ sagte die Alte,
„lege dein Bündel unter die Bank und deinen Filz auf dem Herrn
Vatern seinen Tisch; ich will den Altschaffer rufen lassen, dabß er
dich umschaut.“
Timmo tat, wie ihm geheihen war, und ruhte sich. Als aber
der Altgesell kKam, erhob er sich wieder, setzte den Hut auf, ging
dem Eintretenden entgegen und legte seine linke Hand auf dessen
rechte Schulter. Der Altgesell machte es ebenso und fing an:
„EHilf Gott, Fremder! — Sehuster?“ „Stück davon“, antwortete
fimmo. — „Wo streiehst du her bei dem staubigen Wetter?“ —
„Immer aus dem Land, das nicht mein ist.“ — „Kommst du
geschritten oder geritten?“ — „Ieh komme geritten auf zwei
Rappen aus eines guten Meisters Stall. Die Meisterin hat sie mir
gesattelt, die Jungfer hat sie mir gezäaumt, und beschlagen hab
seh sie mir selber.“ — „Worauf bist du ausgesandt?“ — „Auf
ehrbare Beförderung, Zueht und Ehrbarkeit.“ — „Was ist Zucht
und Ehrbarkeit?“ — „Handwerks Gebrauch und Gewohnheit.“ —
„Wann fängt selbige an?“ — „Sobald iech meine Lehrjahre ehr-
lieh und treu ausgestanden.“ — „Vann endigt selbige?“ — „Wenn
mir der Tod das Herz abbricht.“ — „Was trägst du unter deinem
Hute?“ — „Eine hochlöbliche Weisheit.“ — „Was trägst du unter
deiner Zunge?“ — „Eine hochlöbliche Wahrheit.“ — „Was frommt
unserm Handwerk?“ — „Alles, was Gott weiß und ein Schuster-
geselle.“