II. Abteilung.
A. Verarbeitung des Materials
in Werkstatt und Bauerngut.
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1. Wohnung, Rleidung, Nahrung.
72. Das alte Bauernhaus.
Da stehst du, du altes, ehrwürdiges Bauernhaus, Johann Se—
naldus' Erbe. Wie oft seit den Tagen meiner Kindheit habe ich dich
angeschaut und bewundert. Achtung, Anhänglichkeit, Liebe und Be—
geisterung habe ich lebenslang für dich gehegt. Das Münster in
Straßburg habe ich gesehen, vor dem Dom in Köln habe ich ge—
standen, manches Königsschloß habe ich bewundert — aber immer
schritt ich voruüber. An dir aber, du altes Bauernhaus, komme ich
nimmer vorbei. Ob ich dich sehe oder nicht sehe, vor meiner Seele
stehst du immerdar. Du bist nicht aus Stein gemeißelt und hast nicht
Erker noch Türmchen, deine Schwellen und Pfosten, Träger und
Balken sind mächtige Eichenstämme aus deutschem Wald — alte
Eichen, auf gutem Boden gewachsen und vom Sturm der Jahr—
hunderte erprobt. Alt und grau — und doch lächelt dein weißes
Fachwerk mich so freundlich und so traulich an, als wollte es sagen:
„Komm her zu mir, Geselle, hier findst du deine Ruh.“ Und wie
gerne komme ich, bewundere dein Bild und lausche deiner großen
Geschichte. Es ist meine Geschichte und die meiner Väter, es ist
die Geschichte des Dorfes und die des teuren Vaterlandes. Im
Jahre 1603 — genau vor 300 Jahren — hat der Zimmermann
deine Balken ineinandergefügt und den gottseligen Spruch über
dich getan: „Vor Wassersnot, vor Feuersnot behüt dich der
dreieinige Gott!“ Da haben die alten Bauern Johann Senaldus
und Christian Gebhardus, Balthasar Caspari und Johann Sinemus
— die Arme übereinandergekreuzt — vor dir gestanden und deinen
stolzen Bau bewundert. Und als dann die Fenster mit den runden
Scheiben eingesetzt wurden, die schön geschnitzte Doppeltür in den
mächtigen Angein hing und das große schütßende Strohdach dich
zudedte — da bist du gar wohnlich und traulich geworden. Da
Peters-⸗-Trapp, Beruf und Heimat.
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