Full text: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen und verwandte Anstalten

166 51. Berlin, die deutsche Kaiserstadt. 
jetzt anschließt, und es mit der dritten vergleicht, die es hinter sich 
gelassen hat. Etwas Ähnliches von so raschem Wachstum kann nur 
in dem Beispiel amerikanischer Städte gefunden werden. Und genau 
genommen, ist Berlin nicht viel älter als die großen amerikanischen 
Städte. Als New York 1612 gegründet wurde, war von Berlin noch 
nicht mehr vorhanden, als was jetzt den Postbezirk C bildet. Bis zur 
Mitte des 17. Jahrhunderts blieb es eine Stadt, die sich mit Branden⸗ 
burg, Frankfurt a. d. O, Stendal und Prenzlau nicht messen konnte. 
Aus dem 12. Jahrhundert stammen die ersten Ansiedelungen. Zwei 
Niederlassungen tauchen aus den Flußnebeln der Spree auf, dort, 
wo die Spree sich in zwei Arme teilt und eine hügelige Insel von nicht 
beträchtlichem Umfang bildet. Diese Insel, von den Wenden Kollen, 
Cölln, genannt, ist der Ausgangspunkt von Berlin. Hier fanden 
die sächsischen Männer ein wendisches Fischerdorf vor; hier bauten sie 
eine Kirche, welche sie dem heiligen Petrus, dem Schutzpatron der 
Fischer, weihten, und erlangten 1232 das Stadtrecht. 
Etwas später finden wir am rechten Ufer eine zweite Nieder— 
lassung mit wendischem Namen, unser heutiges Berlin. 1237 wird 
ein Geistlicher Simeon als Pfarrer von Cölln und 1244 als 
Probst von Berlin bezeichnet. Mit diesen Zahlen beginnt die 
Geschichte der beiden Städte. Die Bewohner von Berlin hatten 
das breitere Gebiet, einen günstigeren Boden als das eng vom 
Wasser umschlossene Cölln. Sie konnten sich leichter und rascher aus— 
dehnen. Sie bauten ihre Kirche dem heiligen Nikolaus, dem Schutz— 
patron der Schiffer und Kaufleute. So kam es, daß Berlin Cölln 
überflügelte. Die Nikolaikirche steht heute noch. Der Turm aus 
dem Granit der Wanderblöcke, das Spitzbogenportal niedrig, schwer— 
fällig, die Wand ein paarmal durch kleine rundbogige Fenster unter— 
brochen — kein Kunstwerk, aber ein ehrwürdiger Anblick für uns, 
diese Kirche des 13. Jahrhunderts, das einzige Baudenkmal der Stadt, 
welches uns unmittelbar mit dem Anfang derselben verknüpft. 
Bis ans Ende des 13. Jahrhunderts wachsen die Städte neben— 
einander fort; im Anfang des 14. Jahrhunderts vollzieht sich die 
Vereinigung, die so natürlich und für die Zukunft entscheidend ist. 
Im Jahre 1307 wählten Berlin und Cölln einen gemeinschaftlichen 
Rat, und in der Mitte der langen Brücke, die damals von Holz war, 
über der Spree, wo heute das Standbild des Großen Kurfürsten steht, 
wurde ein gemeinschaftliches Rathaus erbaut. 
Das erste, was sie taten, nachdem sie sich geeinigt hatten, war, 
eine Mauer zu bauen, 2 mn dick, 10 m hoch, der untere Teil aus Feld— 
steinen, der obere aus Mauersteinen und an den Toren mit festen 
Türmen.
	        
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