Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Soldatenleben zur Zeit Friedrichs des Großen. 
Regimente, die beiden ersteren sogar unter der nämlichen Kompagnie 
befanden. Da sollte ich vor allen Dingen unter einem mürrischen 
Korporal marschieren lernen. Den mochte ich aber vor den Tod nicht 
vertragen; wenn er mir gar auf die Füße klopfte, schoß mir das Blut 
in den Kopf. Unter seinen Händen hätte ich mein Lebtage nichts be— 
greifen können. Das bemerkte einst Hevel, der mit seinen Leuten auf 
dem gleichen Platze manövrierte, tauschte mich gegen einen anderen aus 
und nahm mich unter seine Abteilung. Das war mir eine Herzens— 
freude. Jetzt begriff ich in einer Stunde mehr, als sonst in zehn Tagen. 
6. Schärer war eben so arm als ich; allein er bekam ein paar 
Groschen Zulage und doppelte Portion Brot; der Major hielt ein gut 
Stück mehr auf ihn, als auf mich. Indessen waren wir Herzensbrüder; 
solange einer etwas zu brechen hatte, konnte der andere mitbeißen. 
Bachmann hingegen, der ebenfalls mit uns hauste, war filzig und 
harmonierte nie recht mit uns; und doch schien immer die Stunde einen 
Tag lang, wo wir nicht beisammen sein kounten. Gästli war liederlich 
und kam bald hernach ins Lazarett. Sobald das Exerzieren vorbei war, 
flogen Schärer und ich in Schottmanns Keller, tranken unsern Krug 
Ruppiner oder Kottbuser Bier, schmauchten ein Pfeifchen und trällerten 
ein Schweizerlied. Immer horchten uns da die Brandenburger und die 
Pommern mit Cust zu. Etliche Herren ließen uns sogar oft expreß in 
die Garküche rufen, ihnen den Kuhreihen zu singen. Meist bestand der 
Lohn bloß in einer Suppe, aber in einer solchen Lage nimmt man auch 
mit noch weniger vorlieb. 
7. Oft erzählten wir einander unsere Lebensweise zu Hause, wie 
wohl es uns da war, wie frei wir gewesen, und was es hingegen hier 
für ein verwünschtes Leben sei, und dergleichen. Dann machten wir 
Pläne zu unserer Befreiung. Bald hatten wir Hoffnung, daß uns heute 
oder morgen einer derselben gelingen möchte; bald hingegen sahen wir 
vor jedem einen unübersteiglichen Berg, und am meisten schreckte uns 
die Vorstellung der Folgen eines fehlschlagenden Versuches. Fast alle 
Wochen hörten wir nämlich neue ängstigende Geschichten von ein— 
gebrachten Deserteurs, die, wenn sie noch so viel List gebraucht, sich in 
Schiffer und andere Handwerksleute oder gar in Weibspersonen ver— 
kleidet, in Tonnen und Fässer versteckt und dergleichen, dennoch ertappt 
worden waren. Da mußten wir zusehen, wie man sie durch 200 Mann 
achtmal die lange Gasse auf und ab Spießruten laufen ließ, bis sie 
atemlos hinsanken — und des folgenden Tags aufs neue dran mußten, 
wie die Kleider ihnen vom zerhackten Rücken heruntergerissen und wieder 
frisch darauf losgehauen wurde, bis Fetzen geronnenen Blutes herab— 
hingen. Dann sahen Schärer und ich einander zitternd und totenblaß 
an und flüsterten einander in die Ohren: „die Barbaren!“ Was hier⸗ 
nächst auch auf dem Exerzierplatze vorging, gab uns zu ähnlichen Be— 
trachtungen Anlaß. Auch da war des Fluchens und Karbatschens kein 
Ende. Wir selber zwar waren immer von den ersten auf der Stelle 
und tummelten uns wacker. Aber es that uns nicht minder in der
	        
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