P. Garten, Heide, Feld und Wald — des Landmanns liebster Aufenthalt! 87
nun in der Stube anfangen? Den 103. Psalm habe ich schon durch;
aber es regnet immer forl!l — Ich weiß nichts anderes, als ich setze
mich hin und schreibe einen Brief an Dich, damit ich nur meine Freude
so etwas ausweiten kann. —
Ihr Städter wißt eigentlich gar nicht, was ein Regen ist. Wenn
bei Euch unser Herrgott seinen Brunnen aufschließt, so spannt ihr den
Paraplu (Regenschirm) auf, daß Euch kein Tropfen auf den Leib kommt,
und geht wie die Nürnberger drunter weg. Dazu läuft's von Eurem
Steinpflaster so rasch ab, als es gekommen ist, und nach ein paar
Stunden sieht kein Mensch mehr, daß unser Herrgott dagewesen ist.
Was laßt denn die Erde bei Euch für allerlei grünes Kraut aufgehen?
Höchstens habt ihr eine halbe Mandel Blumentöpfe im Fensterbrette,
uͤnd die nehmt Ihr wohl gar noch bei einem Regen herein und meßt
ihnen ihr Deputat (Pflichtanteil) mit der Gießkanne zu.
Daͤs ist bei uns anders. Da habe ich mich eben noch einmal in
den Garten gemacht und mit meiner Feldhacke in den Gurkenbeeten ge—
scharrt, wie tief der Regen schon gedrungen sei, und es geht bereits
über Hand und Daumen hoch durch und regnet immer noch! Vetter,
es ist doch noch was ganz anderes, wenn unser Herrgott die Gießkanne
Nimint! „Einmal geregnet ist besser als zehnmal gegossen,“ sagt eine alte
Bauernregel; denn beim Regen kriegt jedes Hälmchen und Gräschen
auf meilenweit in der Runde sein Teil so gut mit zugemessen wie die
Levkojen und der Goldlack auf dem Paradebeete mitten im Garten.
Und wenn ich dann bei meinen Bohnen oder Kartoffeln stehe, so kann
ich nicht wegkommen; erst muß ich zusehen, wie alles auf einmal so
frisch und dunkelgrün wird, was vor wenigen Stunden noch ganz ver—
schmachtet an der Erde lag, und wie der Regen auf die vollen, straffen
Blätter niederrauscht.
Hei, wie das jetzt wieder anhebt! — Nun, morgen muß ich durchs
Feld. Bin neugierig, was meine Kohlpflanzen dazu sagen, und ob's
dem Weizen nicht zuviel geworden ist! —
Jehzt läßt's nach. Gott sei Lob und Dank für alle seine Gnade!
Wenn's nur allerwegen hingekommen ist! Hab' ich doch gehört, daß
in einigen Gegenden das Korn wegen der Duͤrre recht verkommen sein
soll. Sollte mir von Herzen leid thun; doch ist's vielleicht nicht so
arg, wie man's macht. Bei uns steht noch alles fröhlich in Hoffnung.
Unser Hergott beschere uns eine gesegnete Ernte!l — Ich will meinen
bs Pfalmm noch einmal lesen, und dann muß ich hinaus in den
arten.
Lebe wohl! Wenn Du meinst, daß mein Brief diesmal das Post—
geld nicht wert sei, so hast Du Dich auch noch nicht von ganzem Herzen
über einen Regen gefreut.
Dein getreuer Vetter
Gottlieb Schulze.
Nach G. Jahn.
Du feuchtest die Berge von oben her; du machst das Cand voll
Früchte, die du schaffst. Ps. 104, 13.