Full text: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen

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wie das belebte, selbst schaffende Wesen, und der Mensch, der die 
Maschine bedient, ist förmlich zum Handlanger herabgedrückt, der das 
vielgestaltige Werk nur vor Störungen und unliebsamen Unter— 
brechungen zu bewahren hat und den einzelnen Maschinen das zu 
verarbeilende Material zuführt. 
Es würde uns zu weit führen, hier die Geschichten der beiden 
vorgenannten Industrien zu verfolgen, obwohl eine solche Darstellung 
des Interesses nicht entbehren würde, nur ein kurzer Hinweis sei 
gestatlet. Die Bereitung des Kattuns war es, die ehemals die Textil⸗ 
ndustrie von Chemnitz und den Nachbarorten, namentlich auch von 
Glauchau und Meerane beherrschte. Mit diesen Erzeugnissen trat 
Ehemnitz bedeutungsvoll auf dem Weltmarkte auf. Seine Waren 
wuͤrden nicht nur in ganz Deutschland abgesetzt, sondern gingen in 
fast alle überseeischen Länder; als Tauschartikel bildeten sie den be— 
liebtesten Gegenstand bei dem Handel mit den Eingeborenen Afrikas 
und anderer Weltteile. 
Mit der Abnahme der Nachfrage nach diesen Stoffen sah sich 
die Chemnitzer Weberei genötigt, auf die Herstellung anderer Artikel 
Bedacht zu nehmen. Statt des Kattuns kamen nunmehr die wollenen 
und halbwollenen Kleiderstoffe an die Reihe Buntwaren, Tücher, 
Mobeistoffe, Tischdecken und halbseidene Kleiderstoffe wurden jetzt in 
Masse hergestellt Die Fabrikation der reinbaumwollenen ba ist 
gegenüber der Herstellung der letztgenannten Erzeugnisse in neuerer 
Zeit so sehr zurückgegangen, daß die Bezeichnung Säãchsisches Manchester 
nur mehr eine historische Berechtigung für Chemnitz hat. Auch die 
früher nicht gekannte oder nicht angewendete Jute hat in neuerer Zeit 
eine vielfältige Stätte der Bearbeitung gefunden. 
Es war für die Gewerbetreibenden der Stadt keine Kleinigkeit, 
stets der veränderten Nachfrage und dem Wechsel der Mode Rechnung 
zu tragen und mit dem zum Teil unter günstigen Bedingungen arbeiten— 
hen ausländischen Weitbewerb Schritt zu halten. Die Mode hat 
freilich auch früher gewechselt, aber es geschah doch innerhalb größerer 
Zeitabschniste und nicht mit der nervösen Hast wie heute. Jetzt sehen 
sich die Fabrikanten fast alljährlich neuen Verhältnissen, veränderten 
Anforderungen gegenüber, und es ist um so schwieriger, all diesen 
Ansprüchen sofort zu genügen, als zum Teil die einzelnen Maschinen 
unter bedeutendem Kostenaufwande gerade für die Herstellung irgend⸗ 
ciner bestimmten Stoffart eingerichlet sind. Es gibt deshalb fort— 
gesetzt einen schweren Wettbewerb und harten Kampf ums Dasein 
gegenüber der ausländischen Industrie auszufechten und es ist natur⸗ 
gemäß, daß dies Ringen und Hasten ungünstig auf eine ruhige Aus⸗ 
gestaltung des Betriebes einwirkt und zum Teil auch die Lohn— 
ann. der Arbeiter nachteilig beeinflußt. 
Seine Stellung im Welthandel aber hat sich Chemnitz hin⸗ 
sichtlich seiner Weberei trotz allem bewahrt. In den Läden und 
Basaren der Mittelmeerländer und des Orients sind heute jene 
halbseidenen Stoffe ebenso regelmäßig vertreten, wie auch in denen
	        
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