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„Die Mannschaft wird hoffentlich gerettet sein. Dann ist es
gut! Freilich wäre mir die Ladung lieber als der Nutzen gewesen.
— Dort geht Agent L. Rufen Sie ihn gefälligst her
Der Herr erscheint und wird gefragt, ob er eine schwimmende
Ladung Reis anzubieten hat. Er verneint, erhält aber, als er
sich eben anschickt zu gehen, ein Telegramm, welches er unserem
Freunde zeigt.
Ich acceptiere,“ sagt letzterer und erzählt dann das Schicksal
der „Weser“ welches der Agent noch nicht weiß.
Neue Makler nahen sich, wir empfehlen uns daher. Binnen
wenigen Minuten haben wir einen interessanten Blick in das Getriebe
gethan und sind Zeuge gewesen, wie rasch Geschäfte eingeleitet und
erledigt werden
Wir wandern nun an den Plätzen vorüber, wo die Versicherer
ihre Sitze haben und über Güte, Alter und Vertrauenswürdigkeit der
Schiffe Auskunft erteilen oder Versicherungen abschließen. Bei einigen
von ihnen herrscht schlechte Laune, denn sie haben soeben den Verlust
der „Weser“ erfahren, die für Schiff und Ladung mit einigen Millio—
nen Mark bei ihnen versichert waär.
Getreide- und Petroleumbörse interessieren uns wenig; auch ist
das Geschäft hier still und flau. Lebhaft dagegen ist der Verkehr in
dem neuen Anbau, wo Aktien und Paͤpiere gehandelt werden Viele
aufgeregte und geschäftige Menschen, meist Juden, rennen hin und
her, ihre Notizbücher in den Händen haltend, es sind Makler. Auf
den Bänken in der Mitte des Raumes sitzen die Bankiers; der Platz
eines jeden ist durch ein Messingschild mit dem Namen bezeichnet.
Rufe, wie: Ich nehme fünfzigtausend Kreditl —3h gebe zehn—
tausend Hanseaten“ — „Brief Geld⸗ „Ultimö“ schwirren
durcheinander, und auch uns fragt inan: „Nehmen Sie Eisenbahn—
aktien?“ oder „Haben Sie Versicherungsaklien?“ Wir schütteln den
Kopf, erfahren aber trotzdem von den Maklern, daß die Aktien der
Versicherungsgesellschaft wegen des durch die „Weser“ erlittenen Ver—
lustes sehr sinken.
Inzwischen ist die Börsenzeit abgelaufen. Scharenweise ziehen
die Besucher ab; andere dagegen drängen sich erst noch in das enge
Telegraphenbureau, um die Börsennotierungen in alle Welt hinaus zu
depeschieren oder zu telephonieren. Unter den ersten, welche die Hallen
verlassen, befinden wir uns; freudig atmen wir die frische Luft ein,
denn es ist keine Kleinigkeit, zwei Sltunden lang in der drückenden
Luft, im Lärm der Stimmen und oft in fürchterlicher Enge aus—
zuhalten. Nach Ph. Kniest in „Vom Fels zum Meer.“
14. Antons Eintritt in das Geschüft.
Anton war gerade achtzehn Jahre alt geworden und hatte seine
Abiturientenprüfung bestanden, da ftarb auch sein Vater. Nach einigen
Tagen lauten Schmerzes stand er allein in der stillen Wohnung, eine