108
und sich selbst oben auf den Scheiterhaufen und bat seine Freunde,
ihn anzuzünden. Da war bei ihm ein Jüngling, namens Philoktetes,
der Sohn eines seiner Freunde; diesen Jüngling hatte Herakles sehr
lieb, und er war ihm sehr gehorsam: dem schenkte Herakles seinen
Bogen und seine Pfeile und befahl ihm, daß er den Scheiterhaufen
anzünden sollte; und der Jüngling war ihm gehorsam, obgleich er
sehr traurig darüber war. Damit aber waren Herakles’ Leiden und
Nöte alle überstanden. Denn als der Scheiterhaufen anfing zu
brennen, kam ein Gewitter, und eine Wolke ließ sich auf den Scheiter¬
haufen herab unter Donner und Blitz, die Herakles’ Seele auf¬
nahm und in den Olympos führte; sein Leib verbrannte. Als seine
Seele im Olympos ankam, verwandelte Zeus ihn in einen Gott,
und alle Götter, die ihn immer lieb gehabt hatten, begrüßten und
umarmten ihn, und selbst Hera, die ihm immer feindlich gewesen
war, ward ihm gut und gab ihm ihre schöne Tochter Hebe zur
Frau: und bei allen Völkern, wo Herakles Gutes getan, Tyrannen
oder böse Tiere ausgerottet hatte, dachte man zu allen Zeiten mit
Dankbarkeit an ihn und redete von ihm mit großen Ehren. Nun
sind schon viele Jahrtausende verflossen, und noch spricht man
mit Ruhm und Liebe von ihm; der schlechte Eurystheus aber wird
gehaßt und verachtet.
68. Die Fahrt der Argonauten.
Barthold Georg Niebuhr.
1. Das goldene Vließ.
Es war ein König in Griechenland, der hieß Athamas, und seine
Frau hieß Nephele. Die hatten zwei Kinder, einen Sohn und eine
Tochter, die waren sehr gut und hatten sich sehr lieb. Der Sohn hieß
Phriros und die Tochter Helle. Der Vater aber war böse und verstieß
seine Frau, die Mutter der guten Kinder, und heiratete eine andere
Frau, die hieß Ino und war sehr böse. Die behandelte die armen Kinder
sehr schlecht und gab ihnen schlecht zu essen und schlechte Kleider und
schlug sie, obgleich sie gut waren, weil sie nach ihrer Mutter weinten.
Sie war eine sehr böse Stiefmutter. Zuletzt wollte sie den Knaben
Phriros opfern. Als er aber zum Altar gebracht war, brachte der Gott
Hermes einen schönen, großen Widder, der hatte Wolle von Gold und