78 Siebente Periode. Von 1789 bis zur Gegenwart. — Erster Absehn. Von 1789—1815.
Stand nicht einen gleichberechtigten vierten anerkennen. — 8. Um
der Finanznot mit einem Male abzuhelfen, zog man sämtliches
Kirchengut ein und erklärte es für Staatseigentum, mit dem
man die Staatsschulden bezahlen wollte (also mit dem Kapi¬
tal statt mit den Zinsen des Kapitals). Da aber der Verkauf
der Güter nicht sogleich bewirkt werden konnte, gab man zu¬
nächst ein Papiergeld (Assignaten) aus, dessen Deckung in den
Gütern bestehen sollte; weil man jedoch im Laufe der Jahre
etwa 20 mal so viel Assignaten ausgab, als der Wert der Güter1
betrug, wurden sie schliefslich fast wertlos (1796:0,29 °/0) und
brachten unsägliches Unglück. Die Geistlichen sollten vom Volke
gewählt und aus der Staatskasse besoldet werden, vor der Weihe
aber den Eid leisten treu zu sein der Kation, dem Gesetz, dem
König und der Verfassung; gegen die den Eid weigernden sollte
mit strengen Strafen vorgegangen werden. Trotzdem weigerte
der gröfste Teil des Klerus den Eid, und die neue Kirchenver¬
fassung trug den Bürgerkrieg in ihrem Schofse. — 4. Die Auf¬
hebung aller Feudallasten, an sich notwendig und wohlthätig,
geschah viel zu plötzlich, auch blieben die betroffenen Grand¬
herren ohne Entschädigung. — So hat die Nationalversammlung
den Despotismus abschaffen wollen und hat das Königtum ab¬
gegraben, sie hat die Freiheit begründen wollen und die Anarchie
zum Staatsrecht erhoben, sie hat die Gleichheit aller schaffen
wollen und alle abhängig gemacht von einer Rotte radikaler
Schreier und Banditen.
d) Die letzten Zeiten der Constituante. Mehr und
mehr war in Paris die Gewalt in die Hände des Pöbels gekom¬
men. Die Prefsfreiheit hatte Blüten wie Marats „Ami du peuple“
gezeitigt; die Klubs, die Cordeliers1 2 und namentlich die Jako¬
biner3, waren immer einflufsreicher geworden, der letztere bil¬
dete sich zu einem förmlichen Gegenparlament aus und suchte
1) Seit 1792 kamen zu den Kirchengütern die gleichfalls eingezogenen
Güter der Emigranten.
2) So genannt nach einer Kirche der Franziskaner (Cordeliers — la corde
der Strick), wo sie tagten.
3) So genannt nach dem Kloster des Jakobus in der Strafse St. Honoré,
wo sio tagten.