Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

476 97. Vor dem Königssarge in der Münchener Basilika. 
eine Reihe monumentaler Bauten bem Könige Derbanfte, bann lenkte er ein in 
bie Briennerstraße, bereit Name an eine glänzende Waffentat ber Bayern er¬ 
innert, vorbei an bem Meisterwerk Thorwaldsens, bem Stanbbilb Maximilians I., 
am Wittelsbacher Palast, dessen östlicher Eckturm bas sonnige Lieblingsgemach 
bes Königs umschloß, am ehernen Obelisk, an ber Glyptothek, bie ben guten 
Münchenern lange Zeit zur Zielscheibe ihres Witzes gebient hatte, bis sie er¬ 
kennen lernten, welch unvergleichlichen Schatz bas Marmorhaus für München 
unb bie Welt bebeute, durch bie Propyläen, bas Denkmal ber großen Gesin¬ 
nung bes königlichen Bauherrn, bas Denkmal bes kleinlichen Unbanfes bes 
Griechenvolkes . . . Unb nun öffneten bie Glocken ber Basilika ihren ehernen 
Mund, das Trauergeleite wandte sich langsam zur Grnstkapelle, Männer¬ 
stimmen hoben zu klagen an: »In memoria aeterna erit justus . . .< 
Eine eigene und eigenartige Totenfeier veranstalteten die Künstler ihrem 
fürstlichen Freunde und Beschützer. Am Abend des 12. März zogen sie mit 
Fackeln und Fahnen nach dem herrlichen Königsplatz. In sahlgrünem Flacker¬ 
licht schimmerten die Marmorwände des dorischen Tempels. Von den Stnsen 
der Glyptothek herab klang die Gedächtnisrede, ans der Säulenhalle der Pro¬ 
pyläen die Trauerhymne aus den Geschiedenen. Dann öffneten sich die ehernen 
Torflügel der Glyptothek und aus dem Atrium leuchtete weithin die Büste des 
gefeierten Toten. Die Fahnen und Standarten der Künstler, Crislammen 
unblutiger, dennoch heißer und ruhmreicher Kämpfe, senkten sich und der 
Redner bekränzte das Marmorhaupt mit goldenem Lorbeer. Draußen aber 
stand Kops an Kops eine unübersehbare Menge, nicht nur Künstler, alle die 
Seinen, ein trauerndes Volk . . . schweigend . . . tief erschüttert . . . 
97. Vor bem Königssarge in der Münchener Basilika. 
Don Karl Zettels) 
Die Abendsonne schickt den letzten Glanz 
Durch matte Fenster diesem Tempelhause; 
Ihr Strahl oerflattert noch in müdem Tanz, 
Indes verstummt des Tages wirr Gebrause. 
Vom Turme zittert noch ein Glockenschlag 
Und mählich stirbt die Rosenglut 
Um jenen würd'gen Königssarkophag, 
Auf dem nun heil'ger Friede ruht. 
O welch ein Leben, hehr und sonnengleich, 
Liegt hier in Staub und Todesnacht gesunken! 
Noch schwelgen wir in seinem lichten Reich, 
Von jenem gottgegebnen Feuer trunken. 
l) „Dichtungen" S. 298, 4. Aufl. Stuttgart 1894.
	        
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