weiße Blütenkleid zurückließ. Er packte seine Kötze auf und
trottete langsam in der sich begrünenden Spur des Frühlings¬
kindes einher, bis sie sich im Walde verlor, wo er dann seine
40 Ostereier versteckte. HansHemng.
223. Der Arme und der Reiche.
1.
or alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden
unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er
eines Abends müde ward und ihn die Nacht überfiel, eh'
er zu seiner Herberge kommen konnte. Nun standen auf dem
5 Wege vor ihm zwei Häuser einander gegenüber, das eine groß
und schön, das andre klein und ärmlich anzusehen; das große ge¬
hörte einem reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte
unser Herrgott: „Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen,
bei ihm will ich übernachten." Als der Reiche an seine Tür klopfen
io hörte, machte er das Fenster auf und fragte den Fremdling, was
er suchte. Der Herr antwortete: „Ich bitte um ein Nachtlager."
Der Reiche guckte den Wandersmann vom Haupt bis zu den
Füßen an, und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug und nicht
aussah wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, schüttelte er
15 mit dem Kopfe und sprach: „Ich kann euch nicht aufnehmen; meine
Kammern liegen voll Kräuter und Samen, und sollte ich einen
jeden beherbergen, der an meine Tür klopft, so könnte ich selbst
den Bettelstab in die Hand nehmen. Sucht anderswo ein Aus¬
kommen!" Schlug damit sein Fenster zu und ließ den lieben
20 Gott stehen.
2.
Also kehrte ihm der liebe Gott den Rücken und ging hinüber
zu denl kleinen Haus. Kaum hatte er angeklopft, so klinkte der
Arme schon sein Türchen auf und bat den Wandersmann, einzu¬
treten und bei ihm die Nacht zu bleiben. „Es ist schon finster",
5 sagte er, „und heute könnt ihr doch nicht weiter kommen." Das
gefiel dem lieben Gott, und er trat zu ihm ein. Die Frau des
Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen und sagte, er
möchte sich's bequem machen und vorlieb nehmen; sie hätten nicht
viel, aber was es wäre, gäben sie von Herzen gern. Dann setzte