Full text: Lehr- und Lesebuch für Gesellenvereine und gewerbliche Fortbildungsschulen

Die Kunst im Gewerbe. 
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Untersuchen wir nun noch, ob die Klage über zu hohe Abgaben begründet 
ist. Zu hoch würde eine Abgabe sein wenn sie die Kräfte des Besteuerten 
übersslege, wenn das Vermögen des Besteuerten darunter litte, wenn er so 
viel zahlen müßte, daß es ihm nicht möglich wäre, sowohl die Bedürfnisse 
des Lebens überhaupt als die seines Standes und seiner bürgerlichen Stellung 
u befriedigen. Wäre dies der Fall, so wären die Abgaben allerdings eben 
wohl eine Ungerechtigkeit, als eine Unklugheit, denn sie würden das Ver— 
mögen des Staales selbst vermindern und am Ende ruinieren. Allein dies 
ist in keinem Staate der Fall, am wenigsten in Preußen. 
Schreitet aber der Wohlstand vorwärts, so liegt eben darin der Beweis, 
daß die Abgaben durchaus nicht die Kräste der Besteuerten übersteigen, also 
auch nicht zu hoch sind. Denn wenn von jemand in mehr gefordert 
wird, als er ohne Aufopferungen leisten kann, so kann keine Klage über eine zu 
hohe Forderung stattfinden, vorausgesetzt, daß die Forderung an und für sich 
Lechtlich begründet ist. Daß dies die Forderungen des Staates an seine Bürger 
sind, ist aber als erwiesen anzunehmen. 
Kommunalabgaben gehören nicht zu den Staatsabgaben, denn sie sind 
nur für das Beduͤrfnis einer einzelnen Gemeinde und haben ihren Grund in 
alten Rechten oder in polizeilichen Lokalbedürfnissen. Dies wäre im allge— 
meinen, was sich über die verschiedenen Abgaben sagen ließe. 
37. Die Kunst im Gewerbe. 
Unter den heutigen Gewerbetreibenden bricht sich immer mehr das Bestreben 
Bahn, den jungen Zuwachs des Handwerks nicht mehr einseitig in der Werk⸗ 
stätie allein auszubilden, sondern auch die Thätigkeit der Schule hierbei in 
Anspruch zu nehmen. Aus dieser Erkenntnis entstanden und entstehen noch 
alltäglich die gewerblichen Fortbildungsschulen, welche dem jungen Handwerker 
Gelegenheit bieten, das in der Volksschule Gelernte zu vertiefen und für die 
speziellen Zwecke des Handwerks zu érweitern. Erst auf Grundlage einer 
gediegenen Vorbildung war es möglich, die Hebung des Gewerbes selbst anzu⸗ 
reben und den einzelnen Erzeugnissen desselben Formen aufzuprägen, die 
iber den bisherigen Rahmen des Alltäglichen hinausgingen. So entfaltete sich 
allmählich das heutige Kunstgewerbe. 
Kunstgewerbe oder Kunstindustrie nennt man die Verbindung der Kunst 
mit dem Gewerbe. Man versteht unter Erzeugnissen der Kunstindustrie die⸗ 
jenigen, welche ihrem Wesen nach für einen praktischen Zweck bestimmt sind, 
deren Formen jedoch durch die Kunst so veredelt sind, daß sie zugleich als 
Kunstwerke betrachtet werden müssen, wie z. B. gewisse Möbel, Gefäͤße, Pracht⸗ 
gewänder u. s. w. Zwischen Gewerbe, Kunstindustrie und Kunst lassen sich 
demnach bestimmte Grenzen nicht ziehen. Diese drei Begriffe bezeichnen nur 
eine Stufenleiter vom Rohen und Einfachen zum feiner Durchgebildeten. Die 
Kunstindustrie erzeugt aus verhältnismäßig wertlosem Material Werte, welche 
fich dann denen der freien Kunstwerke annähern. Und diese so bedeutend ver— 
mehrten Werte werden in vielen Zweigen des Kunstgewerbes fast ohne be— 
sonderen Aufwand von Material oder Arbeitskraft erzeugt, da es in der Regel 
nicht mehr Arbeit, oft nicht einmal mehr Geschick, sondern nur mehr Ver—
	        
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