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Die Rinde der Eiche, besonders wenn man sie im Safte schält, hat scharfe
und zusammenziehende Stoffe in sich, welche eine sehr gute Lohe zum Gerben
des Leders geben. Der ganze Baum birgt solche zusammenziehenden Säfte,
darum sind auch die jungen Zweige, die Blätter ja sogar die noch nicht naß
gewordenen Sägespähne eben so brauchbar. Nimmt man dem Baume seine
Rinde, so wird er leicht krank und verkommt. Seine Hauptbestimmung ist ja,
uns das vortreffliche Holz zu liefern, und diese Bestimmung soll der Mensch
nicht willkürlich stören. Hat doch die Vorsehung eine andre Art der Eichen,
die Korkeiche, wiederum dazu bestimmt, durch ihre Rinde dem Menschen nütz-
lich zu sein und diese Eiche verlangt denn auch, daß der Mensch recht fleißig
ihr die Rinde abschält. Die Korkeiche ist immer mit grünen Blättern geschmückt
und gedeiht nur in der wärmeren Luft des südlichen Europa. Sie wird so
groß und stark, wie unsre gemeine Eiche, trägt eßbare Fruüchte und hat eine
schwammige, leichte und lockere Rinde, die man Kork nennt. Man schält sie
alle acht bis zehn Jahre vorsichtig ab, muß sich aber in acht nehmen, daß man
das darunter liegende zarte Haͤutchen nicht verletzt dann wächst sie immer
wieder; denn bald nach dem Abschälen dringt ein Saft aus dem Baume der
sich an der Luft verhärtet und zu einem neuen Rindenkleide formt. Die Rinde
der alten, schon mehrmals geschalten Bäume ist besser als die der jungen, welche
noch nicht geschält wurden. Die Korkeiche wird über 150 Jahre alt, doch nur
wenn man sie schält; unterbleibt solches, so stirbt sie schon im fünfzigsten oder
sechzigsten Jahre ab.
Von den Eichen, welche in unserm nördlichen gemäßigten Klima vor—
kommen und besonders im deutschen Vaterlande so wohl gedeihen, unterscheiden wir
zwei Arten, die Winter- oder Steineiche und die Sommereiche. Jene
hat eine braune, gefurchte Rinde, die aber an den jungen Zweigen weißlich und
glatt ist, und ein mehr röthliches Holz. Sie bleibt etwas niedriger als die
Sommereiche, aber ihr Holz ist das festeste und dauerhafteste und übertrifft
alle andern europäischen Hölzer an Ausdauer. Das schmalere Laub bricht etwas
später hervor als bei der Sommereiche, und die Blüte erscheint erst am Ende
des Mai. Die Eicheln wachsen traubenweise an kurzen Stielen, vier bis zwölf
Stück bei einander, sind kleiner als bei der Sommereiche und reifen im No—
vember. Die Sommereiche bringt ihre Blätter und Blüten einige Wochen
früher, trägt ihre Früchte an langen Stielen und bringt sie im September und
Oktober zur Reife. Ihr Holz ist weißer und blasser, wird aber im Alter
schwärzlich; ebenso ist auch die Rinde auswendig schwärzlich, aber oft mit weiß⸗
lichem Schimmel überzogen.
Wenn man die Eichen, gleich nachdem sie gefällt sind, ins Wasser legt und
sie drei Jahre lang liegen läht, so wird das Holz bei dem späteren Gebrauche
nicht rissig. Kein andrer Baum ist so zum Schiffbau geeignet wie unsre
Eiche; kein andres Hausgeräthe ist so auf Jahrhunderte brauchbar wie das aus
dem Eichenholze gefertigte Selbst das schwere und dichte Mahagoniholz wird
von dem Eichenholze an Dichtigkeit und Schwere übertroffen.
Wenn man die riesigen Eichbäume im einzelnen betrachtet und dann
gewahr wird, wie jeder Baum eine Menge lebender Wesen beherbergt, wie die
Rinde mit Moosen und Flechten bedeckt ist wie Epheu und andre Schling⸗
pflanzen an dem breiten Stamme wie an einer Mauer emporranken wie der
Nußheher sein Nest in den Ritzen des Stammes künstlich versteckt und von den
Eicheln seinen Wintervorrath anhäuft, wie die Prozessionsraupe auf den Zweigen
und an den Staͤmmen eine geräumige Wohnung für hunderte ihres Geschlechts
spinnt und truppweise ein-⸗ und auszieht, wie das flinke, zarte Eichhörnchen