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wenn er im Schneegestöber Weg und Steg verloren hat, und er, gejagt von
dem dahertobenden Sturmwinde, vergeblich nach einem Obdach sucht, aueh
wohbl gar die Nacht ihn ereilt.
Nun ja, die Heide ist in ibren unbewohnten Gegenden recht einsam.
Liegt aber nicht in der Einsamkeit auch ein Reiz? Wie erhebend ist es,
wenn man die Sonntagsglocken erschallen hört und die weite Ebene in
heiliger Sabbatsruhe daliegt. Da versteht man das Dichterwort:
Das ist der Tag des Herru!
Ich bin allein auf weiter Flur,
noch eine Morgenglocke nur;
nun Stille nah und fern. (Uhland.)
2. Als Merkwürdigkeiten der Heide sind die sogenannten errätischen
Blöcke anzuführen. Man bezeichnet mit diesem Namen die in der Heide
zerstreut und massenweis umherliegenden Felstrümmer, die in grauer Vor-—
zeit, als noch die Meereswellen den Norden Deutschlands überfluteten, durch
gewaltige Vismassen von Skandinaviens Küsten hierhergetragen wurden.
Sie werden von den Heidebewohnern zum Bau der Häuser und Mauern be—
nutzt, weshalb sie an manchen Stellen schon seltener werden. Bigentümlich
sind auch der Raseneisenstein, der sich nahe unter der Oberfläche befindet,
und die Erdölquellen bei den Dörfern Edemissen und Hänigsen an der braun-
schweigischen Grenze. Die Torfmoore sind reiche Vorratsammern von
Brennstoffen und desbalb von grober Wicehtigkeit. —
Das Heidekraut, das sich durech ganz Deutschland auf Heiden und in
Wãldern findet, wächst hier reichlich und dient dem Vieh zur Streu, ja es
wird teilweis auch zum Schaffutter benutzt, seine Blüten sind eine Haupt-
honigquelle der Bienen, und von dem Samen lebt im Winter mancher kleine
Vogel. MWeizen wird nicht viel gebaut, wohl aber Gerste, Roggen und
namentlich Buehweizen, auberdem viel Flachs, Hanf und Kartoffeln. Aus
den Heidel-, Erd- und Kronsbeeren wird ein beträchtlicher Gewinn gezogen,
an Wacholderbeeren werden jäbrlich 50000 Zentner gewonnen. — Das
Edelwild ist hier kleiner als anderswo, der Hase liebt die magere Heidekost
nicht und ist daher nicht häufg. Die klaren Heidebäche sind ein Lieblings-
aufenthalt der Forellen, auech findet sieh hier die Flubperlmuschel, oft mit
groben und schönen Perlen. — Aauf den Heideflächen weiden zahllose Herden
von kleinen, der Heide eigentümlichen Schafen, den sogenannten Heidschnucken.
Sie werden zweimal geschoren, und man gewinnt vom Stück etwa 11/4 bis
11/2 Pfund Molle.
Auch die Bienenzueht findet in der Heide eine gedeibliche Stätte. Im
Frühling werden die Bienenstöcke in die Rübsamenfelder gestellt. Sind
diese abgeblüht, was ungefähr Mitte Juni der Fall ist, dann geht's in die
sũbe, honigreiche, wenn auch unscheinbare Buchweizenblüte. Im Juli bringt
der Imker oder Bienenvater seine Stöõoke in die blüubende Heide, wo sie
bleiben, bis sie mit Honig gefüllt sind. Es werden im Jahre ungefähr
3000 Zentner Wachs gewonnen, der Honig wird zum Teil von den Heide-
bewohnern statt Butter und Zucker benutzt, die gröbere Menge aber geht
nach Braunschweig, Hamburg und Bremen.
14. Der Harz und seine Industrie.
Nach Kutzner, Kutzen und Richter.
1. Da, wo Braunschweig, Anhalt und die preußischen Provinzen Sachsen
und Hannover zusammenstoßen, erhebt sich als ein Gebirge von höchst
eigentümlicher Art und weltgeschichtlicher Berühmtheit der Harz. Übertrifft
ihn auch das Riesengebirge an Höhe, so darf er sich doch mit dem Erz—
gebirge und Thüringer Walde messen und zeichnet sich noch außerdem als das
nördlichste deutsche Gebirge aus, das aus seiner Umgebung sich plötzlich erhebt.