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steht, wer im Gegenteil Kaiser und Fürsten beseitigen will, der gehört nicht
in die Kriegervereine.
2. Es liegt auf der Hand, daß, nachdem die deutschen Kriegervereine sich
die vorstehend geschilderte Eigenart gegeben hatten, ihre Aufgaben wesentlich
erweitert wurden. Fortan konnte man sich nicht mehr damit begnügen, bei
der Aufnahme darauf zu achten, daß der in den Verein Eintretende ein
ehrenhafter ehemaliger Soldat sei; fortan mußte geprüft werden, ob der
Betreffende von guter nationaler und monarchischer Gesinnung sei, und man
mußte ihn darin zu erhalten suchen. Damit übernahm das deutsche Krieger—
vereinswesen aber eine Aufgabe von allergrößter Bedeutung für die deussche
Volksseele. Mehr als früher haben die Vereine darauf zu sehen, daß bei
patriotischen Feiern auch den weniger Gebildeten die Bedeutung derselben
klar wird; duürch Vorträge muß auf die Großtaten unserer Herrscher und
unserer großen Männer hingewiesen werden; die Kenntnis der Geschichte
unseres Volkes, die Bedeutung der neu gewonnenen politischen Einheit Deutsch—
lands, seine Stellung in der Welt, seine Entwicklung in Kunst und Wissen—
schaft, in Handel und Industrie muß klargelegt werden, belehrende Vorträge
über soziale Verhältnisfe, über die Segnungen der großen deutschen Ver⸗
besserungsgesetze müssen Verhetzungen entgegenarbeiten; die Freude am Reich
und an den nationalen Gütern muß neu geweckt und belebt werden.
Mit dieser Erweiterung ihrer Aufgaben haben die Kriegervereine aber
auch den Kreis ihrer Mitglieder weitergespannt. Die Erfüllung der vor—
stehend geschilderten wichtigen Aufgaben ist nur möglich, wenn die ehemaligen
Soldaten aus allen Kreisen des Volkes tatkräftig zusammenarbeiten, uͤnd
es ist nicht zu viel gesagt, wenn wir es direkt als eine Pflicht der höheren
und höchsten Gesellschaftsklassen bezeichnen, zur Erfüllung der großen natio—
nalen Aufgaben des Kriegervereinswesens beizutragen.
3. Die hohen Ziele, die sich das Kriegervereinswesen der Gegenwart ge—
stellt hat, weist es aber des weileren auch auf ein inniges Zusammenarbeiten
mit den staatlichen Behörden hin. Der Staat hat die Pflicht, die heran—
wachsende Jugend zu vaterländischer Gesinnung zu erziehen, und Armee und
Marine haben die Aufgabe, diese Erziehung zu festigen. Darüber hinaus
hört aber die Einwirkung des Staates auf feine Bürger auf. Wie wir
gesehen haben, wollen die Kriegervereine diesen Zweig der staatlichen Auf—
gaben weiterführen; sie setzen sich damit an die Seite der Staatsbehörden
und müssen deshalb ihre Einrichtung so gestalten, daß sie Hand in Hand mit
den staatlichen Behörden arbeiten können. Wir kommen damit auf die Ein—
richtung des Kriegervereinswesens.
Der einzelne Kriegerverein ist nichts, er ist ein Sandkorn am Meere.
Erst die Zusammenfassüng der vielen Tausende von Vereinen zu Einheiten
gAbt die Möglichkeit, geschlossen und einheitlich die wichtigen Aufgaben des
Kriegervereinswesens zu erfullen. An dieser Zusammenfassung der deutschen
Kriegervereine ist seit dem Jahre 1873 gearbellet worden, und endlich ist sie
nach langjährigen Meinungsverschiedenheiten mit Beginn des neuen Jahr—
hunderts zu einem gewissen Abschluß gekommen. Als Vorbild dieser Ein⸗
rxichtung hat die Reichsverfassung gedient. In jedem Bundesstaate bestehen
Landeskriegerverbände, an deren Spitze die erlauchten Landesherren bezw.
die hohen Senäte als Beschützer stehen. In den größeren Bundesstaaten
gliedern sich diese Landesverbände wieder in Unterverbände unter Anschluß
an die Verwaltungseinheiten des Staates