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rollte aus dem Schlosse auf den Platz. Voraus eilten zwei Läufer, die
vergoldete Stäbe trugen, hinter dem Wagen ritten acht Mann von den
Gardos du gorps Epr.? Gard dü Kohr). Sobald das Fuhrwerk auf dem
Platze erschien, lief die Menge zusammen. Die Mützen und Hüte wurden
abgenommen, der Kurfürst und seine Gattin grüßten nach allen Seiten. Die
Fahrt ging über die Lange Brücke, die Georgenstraße hinunter. Hier stiegen
in der Nähe des Tors verschiedene Neubauten empor. Steinsetzer rammten
das Pflaster; wo ehemals eine fast wüste Stätte gewesen, da zeigten sich
jetzt schon freundliche Häuser in Menge. In dem Teile, der Neu-Kölln ge⸗—
nannt wurde, hatte des Kurfürsten Befehl und seine Unterstützung eine An⸗
siedlung geschaffen. Der Spreefluß war eingedämmt; wo sein Wasser einen
Sumpf erzeugt hatte, da war alles trocken gelegt, die seichten Stellen ent⸗
hlelten Massen von Pfahlwerk, auf dessen Grunde die neuen Gebäude sicher
cuhen konnten, und auf dem Mühlendamme erhob sich zu beiden Seiten die
stattliche Häuferreihe mit den Bogengängen. Alles sah trefflich aus.
„Ich freue mich dieses Wachsens und Gedeihens,“ rief der Kurfürst.
„Diefe Stadt hab' ich wahrlich neun gegründet. Wenn ich zurückdenke an
bie Tage meines Regierungsantritts — damals lag alles bde, die Häuser
waren ohne Dächer, die Straßen glichen Sümpfen, und die Menschen
schlichen matt, hohläugig umher, das war der unheilvolle Krieg, der dreißig
Jahre lang getobt hat. „Nein — nein,“ setzte er hinzu, „solche Greuel
dürfen nicht wieder erscheinen. Man muß schirmen, wenn es der Lehre
Luthers gilt.“
In diesem Augenblicke erschien, von der Gegend der Geiststraße herab—
kommend, ein starker Volkshaufe. Er drang bis zum Wagen des Kur—
fürsten. Einige der Leute trugen Fahnen, auf denen zu lesen war: „Ver—
geltungn. Der Jubel wurde gewaltig groß, als man des Kurfürsten an—
sichtig ward. „Es lebe der Kurfürst!“ tönte es aus vielen Kehlen. „Die
Franzosen werden an uns denken!“ schrie ein stämmiger Kerl. „Es lebe
die Glaubensfreiheit!“ riefen andere.
Der Kurfürst winkte beruhigend mit der Hand. „Sie haben schon alle
erfahren, daß ich Posten vor die Häuser der Gesandten stellen ließ,“ sagte
er im Weiterfahren.
Der Jubel begleitete ihn, als er durch das Georgentor fuhr. Hier
herrschte ein reges Treiben an den Befestigungsarbeiten. Die Tortürme
ftiegen empor, die Mauern und Vorsprünge liefen in die breiten Gräben,
lnd überall schafften die rüstigen Arbeiter, um des Kurfürsten Plan aus⸗
zuführen.
Der Wagen fuhr längs der Befestigung hin bis zum Spandauer Tore.
„Jetzt blickt auf meine freundlichen Anlagen,“ sagte die Kurfürstin, auf
die lange Strecke von Weingärten und Ackern deutend, die sich längs der
Spree hinzogen. „Dort ist des Weinmeisters neues Haus, ich habe alles
verbessern lasfsen. Der kurfürstliche Garten wird mit Wegen und Wasser—
behältern versehen.“
Es war dieselbe Gegend, auf der heute das Schloß Monbijou (spr.:
Mongbischuh) mit seinem schönen, stillen Parke steht, gleichsam eine Oase
der Ruhe in dem lauten Treiben und Gewühl der Hauptstadt bildend.
Der Kurfürst ließ den Wagen halten. Er rief die Leute und Aufseher
heran, belobte sie und nahm ihre Mitleilungen über die Fortschritte der
Ärbeilen entgegen. Die Kurfürstin blickte heut fröhlicher als sonst und neigte
dankend ihr Haupt, als Friedrich Wilhelm ihr die Hand drückte. Die Fahrt
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