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mir, daß er mit der Steinschleuder von der tückischen Hand der Indianer
umgebracht und hierher geschleppt worden war.
Ich ergriff meine Flinte und schoß einen Felsenhasen, suchte mir
spärliches Brennmaterial und briet mir an einem Knochen, der die Stelle
des Bratspießes vertreten mußte, ein nicht sonderlich wohlschmeckendes Früh—
stück; dann erwartete ich ruhig, wie sich mein Schickfal gestalten wurde.
Es war etwas nach 12 Uhr mittags, als ich in Zwischenräumen ein ein—
förmiges, abgebrochenes Geschrei hörte; erschrocken, erfreut erkannte ich die
wohlbekannten Töne. Ich bestieg den nächsten Felsen und erblickte in der
Tiefe die beiden Indianer von gestern, die ihre mit Mist beladenen Tiere
nach dem nächsten Bergwerke trieben. Schnell eilte ich hinunter und beredete
sie, mir für ein kleines Geschenk von Tabak ein Laima zu überlassen. Sie
kamen auch willig mit mir nach der Höhle, das Lama nahm meine Hab—
seligkeiten auf; ich warf mit einem Gefühle schmerzlicher Wehmut eine Hand
voll Erde auf den Leichnam und verließ diesen Ort des Unalunn n
v. udt.
156. Die Llanos von Maturin bis zum Delta
des Orinoco.
Der Morgen bricht an, in rosigem Schimmer erglänzt die leichte,
über dem östlichen Horizont lagernde Dunstschicht, und die nächtlichen
Gestirne erbleichen. Rasch nimmt die Helle zu, nur kurz währt die Däm—
merung, in weniger denn einer halben Stunde vollzieht sich der Ubergang
von der Nacht zum Tage: langsam erhebt sich gleich einer feurigen Kugel
die Sonne. Eine dicke, aber niedrige Nebeldecke breitet sich über die unab—
sehbare Fläche, und darüber erblicken wir, scharf sich von dem erleuchteten
Hintergrunde abhebend, die Wipfel mächtiger Bäume, oder die breiten
Fächer der Mauritius- und langen Wedel der Corozzo- und Jaqua-Palmen.
Das reiche, den Boden gleichmäßig bedeckende Gras ist feucht, wie nach
einem starken Regen. Milliarden von in allen Farben erglänzenden Tau—
tropfen hängen an den einzelnen Halmen, langsam gleiten sie herab zum
sandigen Boden, der sie begierig aufsaugt. Höher steigt die Sonne.
Aufgelöst in leichte Dunstwolken entschwinden die Nebel, und soweit das
Auge reicht, erblickt es nun die sich ins unendliche erstreckenden Llanos,
eine üppig-grüne Fläche, unterbrochen nur von einzelstehenden Gehölzen.
Wahrlich, ein überwältigend schöner Anblick für den, der sie zum ersten—
mal anschaut, nicht weniger imposant als der des unabsehbaren Ozeans.
Noch haben die Sonnenstrahlen ihre sengende Kraft nicht erlangt,
und eine leichte Morgenbrise streicht über die Savannen: welch reine,
balsamische Luft! Liebliche Düfte atmen die mannigfachen Sträucher und
Blumen, die das Einerlei der Grasfläche angenehm unterbrechen. An
sandigen Stellen begegnen uns unterschiedliche Agaven und Kakteen, baum—
hoch ragt der kandelaberartige Säulenkaktus empor; seine großen roten
Früchte sind äußerst erfrischend und angenehm. Die Agave americana
mit ihrem bis 10 Meter hohen Blütenstengel und fleischigen, dunkelgrünen