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zwei bewaffnete Haufen ins Innere zu senden mit dem Auftrag, die deutschen
Gebiete, auf welche ihm doch keinerlei Recht zustand, in Besitz zu nehmen.
Die deutsche Regierung, der es mittlerweile gelungen war, sowohl bei der
französischen wie der englischen Regierung volles Einverständnis zu erzielen,
wies die Ansprüche des Sultans entschieden zurück. Als dann das aus 5
Kriegsschiffen und 2 gemieteten Dampfern bestehende ostafrikanische Geschwader
am 7. August vor Sansibar ankam, wurde der Kommandant von dem Sultan
freundlich empfangen, und letzterer willigte, jedenfalls durch die deutsche Kriegs—
macht gefügiger geworden, in die deutsche Schutzherrschaft über Usagara,
Ukami, Nguru, Usegusa und Witu. Aus der deutschen Kolonisations—
gesellschaft war mittlerweile die „Deutsche ostafrikanische Gesellschaft“ ge—
worden, welche über bedeutendere Mittel verfügte als die frühere und des—
halb mit größerem Nachdruck ihre Ziele verfolgen konnte. Von Wichtigkeit
war, daß es ihr gelang, von dem Sultan von Sansibar den Hafen von Dar
es Salam an der Ostküste zu erwerben, denn bis dahin waren sämtliche
deutsche Erwerbungen nur „Hinterland“ und durch das Sultanat Sansibar vom
Meere abgeschnitten.
In eine recht schwierige Lage waren die deutschen Niederlassungen in
neuerer Zeit durch die Aufhetzereien arabischer Sklavenhändler gekommen,
denen ihr sehr einträgliches Geschäft auf einmal versiegte, indem die deutsche
Regierung die Ausfuhr von Sklaven verbot. Es entstand eine Empörung
unter den Eingebornen, und viele deutsche Niederlassungen waren in Gefahr,
zerstört zu werden. Da die deutsch-französisch-englische Grenzregulierungs—
kommission jedoch ein Übereinkommen der beteiligten Mächte zu stande brachte
und England sich mit Deutschland zur Unterdrückung der Sklaverei verband,
so wurde es dem deutschen Regierungskommissär Wißmann möglich, in
kurzer Zeit den Aufstand zu unterdrücken und die verführten Schwarzen zum
Gehorsam zurückzuführen. Geradezu ein Ereignis muß es jedoch genannt
werden, daß der Sultan von Sansibar sein ganzes Gebiet in neuster Zeit
unter den Schutz des Deutschen Reiches stellen ließ und damit das deutsche
Schutzgebiet in unmittelbare Berührung mit dem Meere gekommen ist. Ein
gewaltiges Ländergebiet ist durch das schnelle Zugreifen der ostafrikanischen
Gesellschaft dem deutschen Volke gesichert worden. Selbstverständlich sind
Boden und Klima in diesem ausgedehnten Gebiete äußerst mannigfaltig. Ob
die Anlage von Ackerbaukolonieen daselbst möglich sein wird, muß der Zukunft
vorbehalten bleiben. Man hat europäische Gemüse, Mais, Reis, Bananen,
Vanille, Tabak, Baumwolle mit Erfolg angebaut, auch Versuche mit Seide,
Cacao und Thee gemacht, doch läßt sich daraus ein zuverlässiger Schluß
noch nicht ziehen. Vorläufig wird es sich in erster Linie um Anknüpfung
von Handelsbeziehungen mit dem Innern Afrikas handeln. Man führt
Elfenbein, Gummi, Kobal, Erdnüsse, Tierhäute eꝛc. aus und verschiedene Er—
zeugnisse unseres heimischen Gewerbfleißes ein. Das deutsche Schutzgebiet
an der ostafrikanischen Küste wird auf 19500 Quadratmeilen mit etwa
800000 Bewohnern geschätzt; hierzu kommt noch das nördlich von Sansibar
gelegene 25 Quadratmeilen große Wituland, welches von den Gebr. Den—