Full text: [Band 1 = 2. Schuljahr, [Schülerband]] (Band 1 = 2. Schuljahr, [Schülerband])

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waren, nahm er dieses Ungetfüm, trug es hinaus und stellte es mitten 
in seinen Weizenacker, gerade als wenn es ein lebendiger Mann 
wäre. Den andern Morgen, sobald die Spatzen aufwachten, flogen 
sie eiligst nach dem Acker, wo sie es sich gqut schmecken lassen 
wollten; aber als sie hinkamen, siehe, da stand schon der Bauer 
in seinem alten Rocke und in seinem alten Hute und drohte ihnen 
mit der Peitsche. Sie mochten warten, so lange sie wollten, er 
blieb immer ssstehen, und wenn der Wind kam, so schwang er seine 
Peitsche so hoch, daß es ihnen ernstlich bange wurde. Endlich 
flogen sie mit hungrigem Magen nach Hause. 
90. Die Kornãhren. 
Christoph von Schmid. 
Ein Landmann ging mit seinem kleinen Sohn Tobias auf den 
Acker hinaus, um zu sehen, ob das Korn bald reit sei. 
„Vater, wie kommt's doch,“ sagte der Knabe, „daß einige Halme 
sich so tief zur Erde neigen, andere aber den Kopf so aufrecht tragen? 
Diese mũüssen wohl recht vornehm sein, die andern, die sich so tiet 
vor ihnen bücken, sind gewib viel schlechter?“ 
Der Vater pflückte ein paar Ahren ab und sprach: „Sieh, diese 
Ahre hier, die sich so bescheiden neigte, ist voll der schönsten 
Kõrner; diese aber, die sich so ssstolz in die Höõhe streckte, ist ganz 
taub und leer.“ 
Trãägt einer gar zu hoch den Kopt, 
so ist er wohl ein eitler Tropf. 
91. Der kluge Landmann und sein Pferd. 
Christoph von Schmid. 
Einem Bauersmanne wurde zu Nacht sein ssschönstes Pferd aus 
dem Stalle gestohlen. Er reiste fünfzgehn Stunden weit auf einen 
Pferdemarkt, ein anderes zu kaufen. Aber siehl! unter den feilen 
Pferden auf dem Markt erblickte er auch sein Pferd. Er ergriff 
es sogleich bei dem Zügel und schrie laut: „Der Gaul ist mein, 
vor drei Tagen wurde er mir gestohlen.“ Der Mann, der das Pferd 
feil hatte, sagte sehr höflich: „Ihr seid unrecht daran, lieber Freund! 
ich habe das Rob schon über ein Jahr. Es ist nicht Euer Rob, es 
sieht ihm nur gleich.“ Der Bauer hielt dem Pferd geschwind mit 
beiden Händen die Augen zu und rief: „Nun, wenn Ihr den Gaul 
schon lange habt, so sagt, auf welchem Auge ist er blind ?“
	        
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