Object: Entdeckungen und geographisch bedeutsame Unternehmungen nach Auffindung der Neuen Welt bis zur Gegenwart (Bd. 2)

58 Die Eroberung von Sibirien durch die Kosaken. 
weiter vor und gewannen ganze Provinzen Chinas. In den Streitigkeiten 
dieses Reiches mit den Westmächten hatte Rußland sich still Verhalten und 
sogar sich auf Seiten Chinas hingeneigt; als Lohn für diese Freundschaft 
nahm es sich die Amurländer. China konnte nicht widerstehen und mußte 
darein willigen. Rußland erreichte durch verhältnismäßig geringe An- 
strengung die Erfüllung seines schon seit Jahrhunderten gehegten sehn- 
lichsteu Wunsches; denn das war im Laufe der Zeit klar geworden, daß 
Sibiriens Handel immer gelähmt bleiben müsse, so lauge demselben nicht 
durch die freie Schiffahrt auf dem Amur ein Absatzweg eröffnet werde. 
Immer und immer war Rußland mit Vorschlägen an die Chinesen heran- 
getreten, ihm den Fluß abzulassen. Da wurde 1847 der ebenso thätige 
als gewandte Graf Murawiew zum Generalgouverneur Ostsibiriens er- 
nanut, dessen erste Handlung es war, einen Offizier nach den Amur- 
gegenden abzuschicken. Obgleich derselbe nicht wieder zurückkehrte, ließ 
dessen Chef sich doch keineswegs abschrecken, ordnete größere Expeditionen 
ab, welche die Ochotskische See und die Amurmündungen erforschen und 
daselbst russische Handelsposten anlegen mußten. Im Jahre 1854 ging 
er selbst nach jenen Gegenden ab. Damals, als der orientalische Krieg 
ausgebrochen war, kam es darauf an, die russischen Kriegsschiffe im Stilleu 
Ozean schnell mit Kriegsbedarf und Lebensmitteln zu versehen. 
Murawiew ruderte mit einer kleinen Flotte und Armee ins chinesische 
Gebiet hinein; ein Dampfer, fünfzig große Barken und zahlreiche Flöße, 
beladen mit Geschütz und 1000 Kosaken, gingen den Amur hinab und 
legten sich vor der chinesischen Stadt Aignn vor Anker, wo die schlecht- 
bewaffneten eingeborenen Soldaten aufgestellt waren. Sie schauten neu- 
gierig auf die kühnen Eindringlinge, ließen sie aber ruhig weiter ziehen. 
Murawiew hatte bei dieser Fahrt die Schwäche der Chinesen und die 
Trefflichkeit des Amurs als Wasserstraße kennen gelernt; er benutzte daher 
den letzteren in den folgenden Jahren ganz ungehindert, legte Stationen 
an und setzte sich auf jede Weise fest. Chinesische Mandarinen, die dagegen 
Einspruch erheben wollten, wurden, ohne angehört zu werden, fortgeschickt; 
man gebrauchte eben ganz einfach das Recht des Stärkern und kümmerte 
sich um die Protestation sehr wenig. In Petersburg war man überrascht 
über das kühne und rücksichtslose Unternehmen Mnrawiews, billigte es 
aber und sandte ihm Unterstützung, so daß derselbe im Jahre 1858 alles 
nördlich vom Amur gelegene Land in seine Hände brachte. 
Durch den in Aiguu gefchloffenen Vertrag wurde diese Besitzergreifung 
von seiten Chinas bestätigt. Das Land zwischen dem Flusfe Usfuri uud 
der mandschurischen Küste sollte beiden Reichen gemeinschaftlich gehören, 
doch trat schon 1860 China, dem Drängen Rußlands nachgebend, diese 
Länder vollständig ab, so daß sich die russische Grenze bis nach Korea hin 
ausdehnte.
	        
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