Zur römischen Geschichte. 125
allenthalben durch hohen Schnee verdrossen weiterzog und Unlust und Verzweiflung
aus aller Blicken sprach, stellte sich Hannibal an die Spitze des Zuges, ließ
die Soldaten auf einer vortretenden Gebirgsecke, wo man weit und breit eine Aus¬
sicht hatte, Halt machen und zeigte ihnen die am Fuße der Alpengebirge zu beiden
Seiten des Pos sich hinstreckenden Gefilde mit der Versicherung, daß sie jetzt die Mauern
nicht nur von Italien, sondern selbst von der Stadt Rom überstiegen. Von nun an
gehe der Weg durch Ebenen, ja sogar bergab. Nach einem, höchstens zwei Treffen
würden sie über die Burg und Hauptstadt Italiens wie über ihr Eigentum zu gebieten
haben. Und nun ging der Zug weiter, selbst ohne alle Versuche von seiten der Feinde,
kleine gelegentliche Überlistungen abgerechnet. Indes war der Weg hier weit beschwer¬
licher, als er im Hinansteigen gewesen war, weil die Alpen meistenteils auf der
italienischen Seite zwar weniger hoch, aber doch steiler sind. Fast der ganze Weg
war abschüssig, eng und schlüpfrig, so daß sie weder, wenn sie einmal ins Wanken kamen,
sich vom Falle zurückhalten konnten, noch, wenn sie zu Boden gefallen waren, auf
ihrer Stelle liegen blieben und also Menschen und Vieh eins über das andere hin¬
stürzten.
Nun kam man auf eine Klippe, die noch weit enger war und deren Felswände
so gerade standen, daß kaum ein unbewaffneter Soldat, wenn er den Versuch machte
und sich mit den Händen an den umher ragenden Büschen und Stämmen hielt, sich
hinablassen konnte. Diese Stelle, schon vorher von Natur steil, war kürzlich erst durch
einen Erdfall zu einer Tiefe von beinahe tausend Fuß hinabgestürzt. Als Hannibal
sich wunderte, was hier den Zug aufhielte, weil die Reiterei nicht anders, als sei der
Marsch zu Ende, stehen blieb, meldete man ihm, auf dieser Klippe sei ein Durch¬
kommen unmöglich. Er ging selbst hin, um den Ort in Augenschein zu nehmen. Er
glaubte, sich entschließen zu müssen, das Heer auf einem Umwege, wäre er auch noch
so lang, durch die ungebahnten, nie betretenen Umgebungen zu führen. Hier aber war
der Weg vollends unmöglich. Denn solange der bis jetzt unberührte neue Schnee
von mäßiger Höhe auf dem alten lag, konnten sie bei ihrem Eintritte in den weichen
und nicht zu hohen Schnee leicht festen Fuß fassen. Als er aber durch so viele Menschen
und Tiere auseinandergetreten war, gingen sie auf dem darunter liegenden nackten
Eise und im fließenden Schlamme des geschmolzenen Schnees. Natürlich hatten
sie hier eine schreckliche Not mit dem schlüpfrigen Eise, auf dem kein Fußtritt
haftete und dessen abschüssige Fläche den Fuß um so eher gleiten ließ. Und stürzten
sie, weil auch dann, wenn sie sich auf ihren Händen oder Knieen aufrichten wollten,
selbst diese Stützen ausglitten, von neuem nieder, so gab es rundumher weder Stamm
noch Wurzel, woran sie sich mit dem Fuße oder der Hand hätten aufhelfen können.
So wälzten sie sich nun auf lauter glattem Eise und im zerflossenen Schnee. Die Last¬
tiere traten öfters durch, da sie ohnehin schon auf der untersten Schneelage gingen,
und wenn jie, um sich vom Falle zu erheben, stärker mit den Klauen aufschlugen,
sanken sie völlig ein, so daß die meisten wie in einem Fangeisen in dem starren und
hoch auffrierenden Eise stecken blieben.
Endlich wurde, als sich Tiere und Menschen vergeblich bemüht und erschöpft hat¬
ten, auf der Höhe ein Lager aufgeschlagen, wozu man den Platz nur mit größter Mühe
reinigte: so viel Schnee hatte man loszugraben und wegzubringen. Nun mußten die
Soldaten heran, über diese Klippe, die einzige, über welche der Weg möglich war,
Bahn zu machen: und da der Fels gebrochen werden mußte, so türmten sie die in der
Nähe gefällten und gekappten ungeheuren Bäume zu einem gewaltigen Holzstoße
auf: diesen setzten sie bei einem sich erhebenden heftigen Sturme, der die Glut be¬
förderte, in Brand und machten das glühende Gestein durch aufgegossenen Essig mürbe.
Den aus diese Art ausgebrannten Felsen öffneten sie mit Werkzeugen und ließen seine
Höhen so fanft in mäßigen Krümmungen ablaufen, daß nicht allein die Packpferde,
sondern auch die Elefanten hinabgeführt werden konnten. Vier Tage brachte man an
dieser Klippe zu, während welcher die Lasttiere beinahe vor Hunger umkamen; denn die
Gipfel sind gewöhnlich kahl, und haben sie etwas Futter, so verschüttet es der Schnee.
Am Fuße der Gebirge gibt es Täler und manchen sonnigen Hügel, auch Bäche an