Full text: [Schuljahr 2, [Schülerband]] (Schuljahr 2, [Schülerband])

167 
deinem Lenchen aufziehen.“ Er brachte es also heim und die 
zwei Kinder wuchsen miteinander auf. Das aber, das auf dem 
Baum gefunden worden war und weil es ein Vogel weggetragen 
hatte, ward Fundevogel geheiben. Fundevogel und Len- 
chen hatten sich so lieb, dab, wenn eins das andre nicht sah, 
es ganz traurig wurde. 
Der Fõörster hatte aber eine alte Köchin, die nahm eines 
Abends zwei Eimer und fing an Wasser zu schleppen und ging 
nicht einmal, sondern vielemal hinaus an den Brunnen. Lenchen 
sah es und sprach: „Hör' einmal, alte Sanne, was trägst du 
denn so viel Wasser zu?“ — „Wenn du's keinem NMenschen 
wiedersagen willst, so will ich dir's wonl sagen. Da sagte 
Lenchen, nein, sie wollte es keinem Menschen wiedersagen. So 
sprach die Köchin: Morgen früh, wenn der Fõrster aus die 
Jagd ist, da koche ich das Wasser und wenn's im Ressel siedet, 
Ver' ich den Fundevogel hinein und will ihn darin kochen.“ 
2. Des andern Morgens in aller Frühe stand der Förster 
auf und ging aus die Jagd. Und als er weg war, lagen die 
Kinder noch im Bett. Da sprach Lenchen zum Fundevogel: 
„Verläbt du mich nicht, so verlass' ich dich auch nicht.“ So 
sprach der Fundevogel: „Nun und nimmermehr!“ Da sprach 
Lenchen: „Ich will es dir nur sagen: die alte Sanne schleppte 
gestern abend so viel Eimer Wasser ins Haus; da fragte ich sie, 
Varum sie das tãte; so sagte sie, venn ich's keinem Menschen 
sagen wollte, so wollte sie es mir wohl sagen. Sprach ich, ich 
wollte es gewib keinem Menschen sagen. Da sagte sie, morgen 
früh, wenn der Vater auf die Jagd wäre, wollte sie den Kessel 
voll Wasser sieden und dich hineinwerfen und kochen. Wir 
wollen aber geschwind aufstehen, uns anziehen und zusammen 
fortgehen.“ 
Also standen die beiden Kinder auf, zogen sich geschwind 
an und gingen fort. Wie nun das Wasser im Kessel kochte, 
ging die Köchin in die Schlaffammer, wollte den Fundevogel 
Lolen und ihn hineinwerfen. Aber als sie hinein kam und zu 
den Betten trat, waren die Kinder alle beide fort. — Da wurde 
ihr grausam angst und sie sprach vor sich: „Was will ich nun 
sagen, wenn der Förster heimkommt und sieht, dab die Kinder 
weg sind? Geschwind hinten nach, dab wir sie wieder kriegen!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.