Full text: [Schuljahr 4, [Schülerband]] (Schuljahr 4, [Schülerband])

315 
228. König Watzmann. 
Vor langen Zeiten lebte ein König Watzmann; der hatte 
ein Weib und sieben Kinder. Er selbst aber war ein gewaltiger 
Jäger, dabei stolz und grausam, und seine größte Lust war es, 
begleitet von Weib und Kindern, mit einem Gefolge von Hunden 
und Knechten, auf den Gebirgen umherzuschweifen, die Gemsen 
und Hirsche zu hetzen und an ihrem Blut sich zu weiden und an 
dem Ächzen und Stöhnen der Kreatur. Eines Tages geschah es, 
daß König Watzmann, der wilde Jäger, vor die Hütte einer 
armen Hirtin kam; diese saß vor der Thür, ihr kleines Kindlein 
wiegend in ihren Armen, und neben ihr lag ihr getreuer Hund, der 
ihre Herde und Hütte schützte. Flugs stürzen die wilden Rüden 
des Königs auf den Schäferhund los; einer von ihnen zerfleischt 
das Kind, der andre streckt die erschrockne Mutter nieder. Der 
König aber steht dabei und sieht mit Lust das furchtbare Schau¬ 
spiel an. Auf der Mutter Geschrei kommt der Vater aus der 
Hütte mit dem Bogen in der Hand; wie er das Entsetzliche ge¬ 
wahrt, da streckt er eine der wütenden Rüden mit dem Pfeile 
nieder. Nun aber ergrimmt in Zorn der grausame König ob 
dem Fall seiner Rüde; er hetzt Knechte und Hunde auf den Hirten 
und die Hirtin, die nun, von den Rasenden zerfleischt, auf den 
Leichnam ihres Kindes niedersinken. König Watzmann aber und 
sein Weib und seine Kinder schauen mit Hohnlachen und Froh¬ 
locken auf die unschuldigen Opfer der Wut. — Da erhebt sich aus 
der Erde Schoß ein Brausen, — der Sturmwind bricht los; eine 
Feuersäule steigt empor; sie umwirbelt den Wüterich und seine 
Brut und verwandelt ihre Riesenleiber in Stein. — Und noch 
flehen sie da, der Watzmann und sein Weib nebst ihren sieben 
Kindern, als ungeheure Fk.flenberge, zum Andenken und warnen¬ 
den Beispiel, daß Gottes Rache alle diejenigen ereilt, welche den 
Schwachen zertreten und den Unschuldigen morden. 
Ludwig Aurbacher. 
229. Des Königs Münster. 
Es war einmal ein König, der erbaute ein prachtvolles Münster 
zur Ehre und zum Lobe Gottes, und durfte niemand bei Leib und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.