1
61
Und auch der andere des deutschen Dichter-Fürstenpaars, Schiller,
hat dem Mainland ein liebevolles und ehrendes Wort gewidmet; unter
seinen „deutschen Flüssen“ spricht der Main:
„Meine Burgen zerfallen zwar, doch getröstet erblick' ich
Seit Jahrhunderten noch immer das alte Geschlecht!“
Ja, unser Frankenvolk und insbesondere unsere Häcker, wie in Fran—
ken die Winzer genannt werden, das ist ein wetterharter Volksschlag. Das
übersprudelnd lustige, vielleicht auch manchmal etwas vorlaute Wesen der
Bevölkerung in anderen Weinbaugegenden geht ihm wohl ab; er ist ernster
und kühler; aber unter der rauhen Schale birgt sich ein guter Kern. Fester,
ehrlicher Charakter, biederer Sinn und treue Anhänglichkeit an alte Sitte
und erprobte Erfahrung, das sind des fränkischen Häckers treffliche Eigen⸗
schaften. Aus seinen von Sonnenbrand und Wetter gebräunten Zügen
und aus dem lebhaften Auge spricht ein geweckter Geist. Selbstverständlich
ist auch der Humor in fränkischen Weinorten stets zu finden. Wer die
fränkischen Gaue durchreist, findet allüberall ein frohes Wort und einen
herzlichen Willkommgruß.
Und wer des Abends einkehrt, sei es in der bescheidenen Wirtschaft
eines Häckerdorfes oder in dem sauberen und netten Gasthaus eines freund⸗
lichen fränkischen Städtchens oder endlich in Würzburgs weitberühmten
und originellen Weinstuben — überall rücken die Anwesenden gerne und
freundlich am blankgescheuerten Tisch zusammen und bieten dem Gast den
Ehrenplatz. Und welcher Unterschied ist zwischen den Wirtschaften anderer
Gegenden und den anheimelnden, trauten fränkischen Weinstuben! Hier
stört kein häßlicher, übelriechender Tabaksqualm den Genuß:
„Es it an alter Häkersbrauch,
Beim Wein, da söllst kei' Pfeuff'n rauch'!“
Hier herrscht auch kein wüster Trubel, kein Schreien und Randa—
lieren. Selbst in Würzburgs Weinstuben, wo doch ein lustiger, studentischer
Ton durchdringt, ist von ärgerlichem Benehmen wohl nie die Rede. Behag—
lich und in stiller Heiterkeit sizen Bürger und Bauer hinterm Schoppen—
Aas und besprechen mit klarem Aug' und hellem Kopf, was im Land und
Ort vorgeht, fröhliche Studenten stimmen ein flottes Chorlied an, die
Gläser klingen mit hellem Ton zusammen.
Dr. J. B. Kittel, „Das Buch vom Franlkenwein“.
Lesebuch für unterfräntische Sonntagschulen
11