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werke betreten. Er nimmt die ganze Breite des Gebäudes ein. Eine
Fülle von Licht flutet durch die hohen Fenster herein. Das Surren
und Sausen vieler Tausende von Spindeln empfängt uns. Mit
rasender Geschwindigkeit — 7 9000 Umdrehungen in der Minute —
drehen sie sich, verspinnen den luftigen Stoff in wunderbar künstlicher
Weise zu den feinsten Fäden und wickeln das Garn selbsttätig auf
hülsenartige Papierspulen, die man nur abzunehmen und durch andere
wieder zu ersetzen braucht.
Befriedigt verlassen wir das Gebäude. Staunend blickten wir in
die Wunderwelt der modernen Technik, die menschlicher Scharfsinn
ersann und immer noch größerer Vervollkommnung entgegenführt.
Nach Snell u. a.
119. Ein Gang durch die Werkställen einer Schußwarenfabrik.
Das Vaterland der mechanischen Schuhfabrikation ist Nordamerika
und sie hat heute in der Union eine solche Ausdehnung erlangt, daß der
größte Teil des Bedarfs mit Hilfe von Maschinen gefertigt wird; es gibt
ganze Städte, die fast nur von Arbeitern der Schuhfabriken bevölkert sind.
Dabei ist der ganze Industriezweig überraschend jung; die Erfindung der
Sohlennähmaschine, die den Ausgangspunkt für seine Entwicklung bildete,
fällt erst in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Diesem ersten und
auch heute noch wichtigsten Hilfsinstrument reihten sich schnell weitere
Maschinen an und Hand in Hand mit deren Vervollkommnung, die noch
keineswegs abgeschlossen erscheint, ging eine scharfe Ausbildung der Arbeits⸗
teilung. Man ist schließlich dahin gelangt, daß fünfzig Leute — Männer,
Frauen und Kinder — beschäftigt werden, um die vierzig und einige Teile,
die zu einem Paar Schuhe gehören, zusammenzustellen. Von Nordamerika
ausgehend, gewann die mechanische Fabrikation der Schuhwaren bald in
England festen Boden; erst später hat sie sich auch auf dem Festland und
besonders in OÜsterreich und Deutschland eingebürgert. In schneller Folge
entstanden, wenn auch nicht ganze „Schusterstädte“ wie in der Union, so
doch großartige Werkstätten. Erfurt, Frankfurt a. M., Gotha, Mainz und
Pirmasens sind beute die Hauptstätten der Fabrikation im Deutschen Reich
und einzelne der abriken beschäftigen, vollkommen auf sorgfältigste Arbeits—
teilung eingerichten underte von Arbeitern; auch in Nürnberg und anderen
fränkischen Plätzen hat dieser Industriezweig Eingang gefunden und eine
ziemliche Bedeutung gewonnen.
Wir treten eine Wanderung durch die umfangreichen Räume einer
großen Schuhfabrik an um das Entstehen eines Paars moderner Schuhe
und das eigenartige Ineinandergreifen von Maschinen- und Handarbeit auf