154. Der Volf und das Lamm.
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zur Schafhut. Besonders muß man das Tier bewahren,
daß es nicht aus stehenden Lachen säuft; denn dies ist für
seine Gesundheit sehr gefährlich. Im Sommer hält sich das
Schaf fortwährend im Freien auf und kommt nachts in den
Pferch. Nur bei sehr rauher Witterung und im strengen
Winter bleibt es unter Dach und Fach. Im Winter erhält
das Schaf Heu als Futter; im Sommer wird es auf Fluren
geweidet. Besonders gerne leckt es Salz.
Den größten Nutzen gewährt uns dieses Tier durch seine
Wolle, außerdem durch sein schmackhaftes Fleisch, durch seine
Knochen und Gedärme, welch letztere zu Saiten verwendet
werden. Auch sein Dünger ist dem Landwirte sehr schätzens⸗
wert.
Ein räudig' Schaf steckt die ganze Herde an. —
Wer sich zum Schafe macht, den fressen die Wõlfe. —
Wo ein Schaf vorgeht, folgen die andern nach. —
Besser Wolle weggeschoren,
als das ganze Schaf verloren. —
154. Der Wolf und das Lamm.
Nach Äsop.
Wolf. Was für eine Frechheit ist das von dir, Lamm,
daß du mir das Wasser dieses Baches trübe machst, aus
welchem ich meinen Durst stillen will? Hast du so wenig
Achtung vor dem Wolfe?
Lamm. Wie sollte ich dir doch das Wasser trüben,
da du oberhalb stehst und ich unterhalb trinke? Zürne mir
nicht so ohne allen Grund! Ich fürchte mich schon vor
deinen zornigen Worten und vor deinen grimmigen Blicken,
und doch hab' ich dich niemals beleidigt.
Wolf. Du hast mich niemals beleidigt? Voriges
Jahr um diese Zeit hast du mich mit harten Schimpfreden