94. Gustav Adolf und Wallenstein vor Nürnberg. 107
Noch ganze vierzehn Tage nach dieser Aktion blieben die Armeen
einander gegenüber gelagert, jede in der Erwartung, die andere zum
Aufbruch zu nötigen. Je mehr mit jedem Tage der kleine Vorrat an
Lebensmitteln schmolz, desto schrecklicher wurden die Drangsale des
Hungers, desto mehr verwilderte der Soldat, und das Landvolk umher
ward das COhser seiner tierischen Raubsucht.
Nürnbera hatte sich über Vermögen angestrengt, die ungeheure
Menschenmenge, welche in seinem Gebiete zusammengepreßt war, elf
Wochen lang zu ernähren; endlich aber versiegten die Mittel, und der
König mußte sic) zum Abzug entschließen. Mehr als zehntausend seiner
Einwohner hatte Nürnberg begraben, und Gustav Adolf gegen zwanzig—
tausend seiner Soldaten durch Krieg und Seuchen eingebüßt. Zertreten
lagen alle umliegenden Felder, die Dörfer in Asche; das beraubte Land—
volk verschmachtete auf den Straßen; Modergerüche verpesteten die Luft;
verheerende Seuchen, durch die kümmerliche Nahrung, durch den Qualm
eines so bevölkerten Lagers und so vieler verwesenden Leichname, durch
die Glut der Hundstage ausgebrütet, wüteten unter Menschen und
Tieren, und noch lange nach dem Abzug der Armeen drückten Mangel
und Elend das Land. Gerührt von dem allgemeinen Jammer und
ohne Hoffnung, die Beharrlichkeit des Herzogs von Friedland zu be—
siegen, hob der König am 8. September sein Lager auf und verließ
Nürnberg, nachdem er es zur Fürsorge mit einer hinlänglichen Besatzung
versehen hatte. In völliger Schlachtordnung zog er an dem Feinde
vorüber, der unbeweglich blieb und nicht das geringste unternahm, seinen
Abzug zu stören. (Friedr. v. Schiller.)
Ergänzungen. Der Zwiespalt zwischen den verschiedenen Glaubensparteien
in Deutschland hatte schon den schmalkaldischen Krieg (von 1646—1552) hervor—
gerufen; er hatte auch den schrecklichen 30jährigen Krieg zur Folge. Dieser begann zu
Prag in Böhmen (23. Mai 1618) durch den Sturm auf das kaiserliche Schloß. Die Böhmen
kündigten dann dem Hause Habsburg den Gehorsam und wählten den Kurfürsten
Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem Könige. In der Schlacht am weißen Berge bei
Prag wurde dieser besiegt (8. Nop. 1620) und Vöhmen wieder dem Kaiser unterworfen,
Friedrich aber geächtet. Die Oberpfalz erhielt Maximilian von Bayern, zugleich auch
die Kurwürde (1623). Für Friedrich traten auf Ernst v. Mansfeld, Christian
v. Braunschweig und Georg Friedrich v. Baden, später auch der Dänen—
könig Christian. Sie alle wurden von Tilly und Wallenstein besiegt Da
trat 1630 der Schwedenkönig Gustad Adolf als Bundesgenosse der protestantischen
deutschen Fürsten auf, besiegte 1631 Tilly bei Leipzig, drang nach Franken, den
Rheinlanden und Bayern vor, und bedrohte Osterreich, so daß sich der Kaiser
Ferdinand 1I) genötigt sah, den früher entlassenen Wallenstein wieder als Ober—
feldherrn aufzustellen. Bei Fürth maßen sich die beiden großen Feldherrn zum ersten
mal. Bald nach dem Zusammenstoß bei Fürth kam es bei Lützen in Sachsen zu einer
blutigen Schlacht (16. November 1632), in welcher Wallenstein geschlagen wurde