Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

75. Die Wanderschaft. — 76. Das Gewerbe im Alterthum. 
75. Die Wanderschaft. 
Parabel) 
Ein Vater sendete seinen Sohn, einen Maler, in die Fremde, daß 
er reisen möchte auf seine Kunst, Kenntnisse zu sammeln nach alter 
deutscher Weise. Als nun der Tag des Abschiedes nahete, führte der 
Vater den Jüngling in den Garten und benannte ihm alle berühmten 
Städte und Länder, so er durchwandeln sollte. Da erschrak die Mutter, 
die mit hinausgegangen war, als sie solches hörte, und sie sprach: „Ach, 
wer wird ihn leiten und schirmen auf solcher weiten Wanderschaft, daß 
er nicht auf Irrwege gerate und ihm Unheil begegne!‘“ Der Vater 
aber antwortete und sprach: „Dessen bekümmere dich nicht; Gott und 
sein Herz werden ihn wohl geleiten.“ Darauf führte er den Sohn 
samt der Mutter zu einem Bienenstand und sprach: „Siehe die ein— 
fache Gestalt und Weise dieses Völkleins. Sein Beruf ist, draußen der 
Blüten Saft und Staub zu sammeln und beides zu Honig und Wachs 
zu bilden. So zeucht es aus, eingedenk seiner Heimat und seiner Be— 
stimmung. Und Gott weiset dem Tierlein den Weg, daß es sich nimmer 
verirrt, und schaffet ihm Blumen und Blüten die Fülle.“ Darauf wandte 
sich der Vater zu seinem Weibe und sprach: „Ist nicht unser Sohn mehr 
denn viele Bienen? Und trägt er nicht ein Kleinod in seinem Herzen, 
das die Bienen nicht keunen?“ Da war die Mutter getröstet. 
(Friedr. Adolf Krummacher, geb. 1768 zu Tecklenburg (Westfalen), 4als Prediger zu Barmen 
4. Avril 1845.) 
III. Aus der Geschichte. 
76. Das Gewerbe im Altertum. 
1. So lange der Menseh nur für sich allein lebte, ohne staatliche Ver- 
hindung mit andern, so lange musste er die verschiedenen Bedũrfnisse, 
die das Leben fordert, ganz allein bereiten. Erst als die Menschen zu 
Völkern herangewachsen waren und Staaten sich gebildet hatten, konnten 
besondere Gewerbe entsteben; erst dann var es für den einzelnen möglich, 
Alle anderen Bedũrfnisse des Lebens zu erhalten, venn aueh er selbst seine 
ganze Zeit auf die Bereitung eines einzigen verwendete. Und so sehen 
vir aueln sogleich bei den ältesten Vöolkern, denen wir in der Geschichte 
begegnen, eine Gewerbsthätigkeit, die gan⸗ notwendig auf einen besondern 
fandwerksstand bei ihnen sebliessen lässt. venn auch gerade keine be— 
timmten Nachrichten davon auf uns gekommen sind. Am weitesten 
reichen in dieser Beziehung unter allen Ländern im Altertum zurück die 
LAnder am Euphrat und Tigris. Babylonien und Assyrien, und das 
land am Nil. gypten. Dort ist die Urbeimat aller menschlichen 
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