Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

56 77. Der Handel der alten Welt. 
von Zeit zu Zeit ausgerüstet wurden, von einem bestimmten Ort ausgingen 
und auf fest vorgezeichnetem Wege die Reise zurücklegten. Die inmitten 
der Steppen und Wüsten hingestreuten Oasen bildeten die unentbehrlichen 
Ruhepunkte, wo Käufer und Verkäufer sich oft zu begegnen pflegten, wo 
Karawansereien gebaut wurden, und wo selbst ganze Niederlassungen ent— 
standen. Bemerkenswert ist die Stetigkeit, womit Jahrhunderte, ja selbst 
Jahrtausende lang die Straßen des alten Landhandels festen Gang und 
gleichmäßige Richtung eingehalten. Heutzutage ziehen die Karawanen zwischen 
Rußland und China, zwischen Tombuktu und Tunis auf denselben von der 
Natur unveränderlich vorgeschriebenen Wegen, wie vor Jahrtausenden. 
Über das Schiffswesen der damaligen Zeit sind die Nachrichten sehr 
mangelhaft. Als ältestes Fahrzeug erscheint unstreitig das Floß, zunächst 
für den Gebrauch auf Flüssen und Seen, dann auch auf dem Meere zu 
kurzen Fahrten längs der Küste oder zu einer nahen Insel. Man gab ihm 
später Ruder, Steuer und Segel, wie es in dieser Gestalt noch jetzt bei 
wilden Völkern vorkommt. 
Historische Nachrichten über Schiffahrt und Schiffsbau haben wir zuerst 
von den Phöniziern. Durch ihre geographische Lage in einem unfruchtbaren 
Küstenstrich, der ihnen aber das vorzüglichste Bauholz darbot, waren sie auf 
Schiffahrt und Seehandel verwiesen. In ihren rohen Elementen mag die 
Schiffahrt ohne Zweifel von verschiedenen Völkern zugleich erfunden worden 
sein; jedenfalls sind aber die Phönizier diejenigen, von welchen die wesent— 
lichsten Verbesserungen herrühren, wie sie denn auch im Schiffsbau die 
Lehrmeister aller Vöolker des Altertums wurden. Zwar war auch ihre Schiff— 
fahrt nur Küstenfahrt; allein sie erstreckte sich über alle Gewässer des Mittel— 
meeres und selbst jenseits der Säulen des Herkules nach den Westküsten 
Europas und Afrikas. Ihre Umschiffung des Vorgebirges der guten Hoffnung 
ist durch die neuesten Forschungen fast außer allen Zweifel gesetzt. 
In die Zeit der phönizischen Handelsblüte fallen die wesentlichsten 
Erfindungen der Schiffskunde: der Anker, ursprünglich ein mächtiger Stein, 
dann ein eiserner Haken, bis man den zweiten beifügte, die Segel, das 
Senkblei, der Ballast. Ferner gab die Schiffahrt Anlaß zur Sternkunde. 
Die Phönizier nannten einen Stern des kleinen Bären den Polarstern und 
maßen darnach die Höhe der übrigen Gestirne. 
Auch die Winde wurden in ein wissenschaftliches System gebracht und 
beobachtet. Man teilte die Windrose in 12 Teile. Die Phönizier kannten 
von den Passatwinden schon die Monsoons, welche sie bei ihren Fahrten nach 
Arabien, Persien und Indien benutzten. Mit dem Untergang Karthagos 
schließt die handelspolitische Geschichte der alten Welt. Wie lebhaft auch 
später der Verkehr Alexandriens sich darstellt und welche Vermehrung in 
den Zufuhren indischer Produkte der römische Luxus erheischt, jener Handels— 
geist, der in still geschäftiger Eroberung die Erde bis zu ihren äußersten 
Grenzen durchzieht und die entferntesten Völker einigt, war nicht mehr 
vorhanden. H. Scherer. Geschichte des Welthandels.)
	        
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