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lieben Kind solte schießen, Er woll lieber sterben. Der Landt-Vogt sprach: Das
must du tun, oder du und das Kind sterben. Der Tell sach wol, daß Ers tun
must, bat Gott inmgklich, daß Er In und sin lieb Kind behüte. Narn sin Arm¬
brust, spien') es, legt uff den Pfyl, und ftacft noch ein Pfyl binden in das Göllers,
und legt der Landt-Vogt dem Kind (das nit mebr dann 6 Zar alt was) selbs
den Oepffel uff sin Houpt. Also schoß der Tell dem Kind den Oepffel ab der
Scheitlen des Houpts, daß Er das Kind nie verletzt. Do nun der Schutz ge-
fchechen was, verwundert sich der Landt-Vogt des meisterlichen Schutzes, lobt
den Tellen finer Kunst, und fragt Ine, was das bedüte, daß Er noch ein Pfyl
binden ins Göller gesteckt bette ? Der Tell erschrack aber, und gedacht, die Frag
bedütet nützit Guts, doch hett er gern die Sach glimpfflich verantwurt, und sprach:
Es wäre also der Schützen Gewohnheit; der Landt-Vogt merckt wol, daß ihm
der Tell entsasj9), und sprach: Tell nun sag mir frölich die Warheit, und furcht
dir nützit darumb, du sott dins Lebens sicher sein, dann die gegebene Antwnrt
nimm ich nit an, es wird etwas anders bedüt haben. Do redt Wilhelm Tell:
Wolan, Herr, sidmaten10) Ir mich mins Lebens versichert habend, so will ich üch
die gründlich Warheit sagen, daß min entliche Meinung gewesen, wann ich min
Kind getroffen hette, daß ich üch mit dem andern Pfyl erschussen, und one
Zwifel üwer nit gefält wolt haben. Do der Landt-Vogt das hört, sprach Er:
Nun wolan Tell: Ich hab dich dins Lebens gesichert, das will ich dir halten,
diewil ich aber din bösen Willen gegen mir verstau, so will ich dich führen lassen
an ein Ort, und allda inlegen"), daß du weder Sunn noch Mon niemerme sechen
solt, damit ich vor dir sicher fig. Hieß hiemit fine Diener In fachen1'2) und
ongentz13) gebunden gen Flülen füren. Er für auch mit Inen, und nam des
Tellen Schießzüg, Kocher, Pfyl uud Armbrust ouch mit Im, wolts Im selbs
behalten; also saß der Landt-Vogt sambt den Dienern, und dem gebundnen
Tellen in ein Schiff, wolt gen Brunnen faren, und darnach den Tellen über
Landt durch Schwitz in sin Schloß gen Küßnach füren, und alda in einem finstern
Thnrn sin Leben enden; des Tellen Schieß-Züg ward im Schiff uff den Bieten
oder Grausen'^) bim Stürrnder gelegen.
Wie fi nun uff den See kamend, und hinuff furend, biß an Achsen das
Ecke, bo fugt Gott, daß ein solcher grufamer utigestümmer Sturm-Wind infiel,
daß fi sich all verwegend Ejattend15) ärmftich zu ertrincken. Nun was der Tell
ein starcker Mann, und kondt vast13) wol uff dem Wasser; do sprach der Dienern
einer zum Landt-Vogt: Herr Ir fechend üwre und unsre Not und Gfar unsers
Lebens, darinn wir stand! und daß die Schiff Meister erschrocken, und des Farens
nit wol bericht; nun ist der Tell ein starker Mann, und kan wol jchiffen, man
solt In jetz in der Not bruchen. Der Landt-Vogt war der Wasser-Not gar er»
klnpfft^), sprach zum Tellen: Wann du uns getruwtift uß bis er Gfar zu helffen,
so wolt ich dich diner Banden ledigen; der Tell gab Antwnrt: ^o Herr, ich
getruwe uns mit Gottes Hilff wol hiebannen ze helffen. Also ward Er uff«
gebunden, stunb an bas Stürruder unb für redlich bahin, boch lugt Er aQweg
Anmerkungen: 7) spannte bie Armbrust; 8) Bekleibung des Halses und
des oberen Rumpfteiles; 9) auswich, entschlüpfte; 10) da; n) einsperren; ,2J gefangen
nehmen; 13) enge; Spitze des Schiffes; 15) einen üblen Ausgang des Wagnisses
voraussahen; l6) sehr; I?) erschrak.