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erhalten, sich für sie, wenn es die Notwendigkeit erheische und es
nicht gegen ihre eigene Ehre sei, der Gefahr entgegenzustellen; nie¬
manden böslicherweise zu beleidigen, noch sich das Eigentum eines
andern anzumaßen, sondern vielmehr gegen. diejenigen zu kämpfen,
welche dies thun würden; sich nicht durch Habsucht, Belohnung, Ge¬
winn und Nutzen zu irgend einer That bewegen zu lassen, sondern
nur durch Ruhm uud Tugend; Ehre, Rang und Stand ihrer Ge¬
nossen aufrecht zu erhalten und sich gegen keinen derselben etwas aus
Stolz oder mit Gewalt anzumaßen; nie, von andern unterstützt, gegen
einen einzigen zu kämpfen und jeden Trug und jede Arglist zu meiden;
ihr gegebenes Wort jedermann und besonders ihren Genossen unver¬
brüchlich zu halten; einander zu lieben und zu ehren und sich bei jeder
Gelegenheit Hilfe und Beistand zu leisten; keinen ehrlichen Kamps zu
verweigern, wenn sie nicht durch Verwundung, Krankheit oder ein
anderes hinreichendes Hindernis zurückgehalten würden; vor allen
Dingen treu, von ritterlicher Sitte und demütig zu sein und nie ihr
Wort zu brechen, was für Übel oder Verlust ihnen auch dadurch
entstehe.
Eine bestimmte Gliederung des Ritterstandes bildete sich, zum
Teil wenigstens, nach dem Vorbilde der Abstufungen unter der Geist¬
lichkeit, schon im Laufe des zwölften Jahrhunderts; eine längere Vor¬
bereitung, eine Lehrzeit ging dem Eintritte in den Ritterstand vorauf.
Bis zum siebenten Jahre blieb der Knabe unter der Aussicht der
Frauen; dann trat. er als Edelknabe oder Junker unter die Aufsicht
der Männer, und mit dem vierzehnten Jahre wurde er Knappe und
empfing den Degen zu fortwährendem Gebrauche. Nicht auf dem
Schlosse des Vaters, sondern aus dem eines andern vornehmen Ritters
verlebte der Lehrling die Lehrzeit; in Gemeinschaft mit mehreren
Altersgenossen bildete er sich zur Rittersitte, indem er gehorchen lernte,
indem er den Damen des Hauses diente, ihnen zu gefallen suchte und
sich in der Führung der Waffen und in der Leitung des Pferdes
übte. So wurde die frühere Roheit der Sitte mehr und mehr ver¬
drängt, und fast alle Schlösser wurden Schulen des Rittertums. Ein
besonderer Vereinigungspunkt für die Ritterschaft, eine Gelegenheit
für dieselbe, sich in ihrem Glanze zu zeigen, wurden die Turniere.
Der Ursprung derselben geht in eine sehr frühe Zeit zurück, insofern
man ihn in dem Wasfenspiele deutscher Jünglinge, welche nackt zwischen
bloßen Schwertern und Lanzen tanzten, suchen kann. Eine weitereNo full text available for this image
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