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Die Donau windet sich nun anmutig durch Wiesen und Felder hin—
durch und erreicht die „Kornkammer Bayerns“, die Stadt Straubing,
ihren Hauptort, bespülend. Auf der linken Seite treten waldige Berge
näher zum Strome heran, rechts liegt auf einer Terrasse der weite, waldlose
Gäuboden mit seinen reichen Getreidefeldern. Die Uferlandschaft selbst
ist eintönig, meist sumpfige Wiesen und Wald. Links im Vordergrunde
zeigt sich eine kahle Anhöhe mit einem Kirchlein: der Wallfahrtsort Bogener—
berg. Weiter flußabwärts erhebt sich mitten in der Ebene der gewaltige
Klotz des Natternberges, dann unmittelbar links Deggendorf mit seinem
stattlichen Hafen, der Hauptstapelplatz für die Produkte des Bayerwaldes.
Gleich darauf mündet die rauschende Isar, das wilde Alpenkind; dann grüßt
der Strom die Trümmerreste der Winzener Burg und netzt den Fuß des
alten, verfallenen Raubnestes Hilgartsberg. Hinter Vilshofen, wo die
kleine Vils in den Strom tritt, verengt sich das Flußbett um ein beträcht⸗
liches und bildet das an Felsen und Üntiefen reiche, für die Schiffahrt so
gefährliche G'hachlet!). Rechts erheben sich die steilen Felsen der Donauleite,
an deren Fuß sich Straße und Eisenbahn hinziehen. So nähern wir uns dem
prächtigen Passau, in einem Kessel erbaut, in welchem sich die Täler der Ilz,
des Inns und der Donau kreuzen. Passau liegt zum größten Teile auf der
langgestreckten Halbinsel, welche die unter einem spitzen Winkel zusammen⸗
fließenden Strõöme Donau und Inn gebildet haben. Zur linken Hand
ragt auf hohen Felsen die ehemalige Festung Oberhaus, während den
Eingang zum Ilzlal Burg Niederhaus schützt. Noch einige Stunden tal—
abwärts grüßt der Strom den lieblichen Markt Obernzell, durch seine
Schmelztiegel in der ganzen Welt bekannt; dann scheidet die Donau vom
Deutschen Reiche, um ihre Wasserwogen zunächst durch die befreundete
Osterreichisch-Ungarische Monarchie weiter gegen Osten zu führen.
Meher. Stauber u. a.
41. Ernteleben im Gãuboden.
In den Stromtälern der Donau und Isar neigen sich die gold-
gelben Weizenähren unter dem sengenden Jakobisonnenstrahl dem
Schnitter entgegen. Das weiß der winterlich ärmliche Böhmerwald
sehr genau: von Kundschaftern hinaus und Briefen herein. Er speit
nun seine überschüssigen Arbeitskräfte auf allen Gebirgssteigen und
Landstraßen in den Flachboden. In mehreren buntscheckigen Schwärmen
strömt das Volk dureh die Vorwalddörfer gegen Straubing hinaus
zum sog. „Sklavenmarkt“. Das ist die jeweils letzte Samstagsschranne
vor Erntebeginn.
Jede Böhmerwaldlerin, wenn sie zum erstenmal herauskommt,
betrachtet das Donautal mit seinen wogenden Getreidefeldern, seinen
zahlreichen stattlichen Dörfern und Gehöften wie eine Art Paradies.
Dies ist ihr aber durchaus nicht zu verargen: ist doch das unver—
N Von Hachel — Flachshechel.