Full text: Lesebuch für Landwirtschaftliche Winterschulen und ähnliche Anstalten im Königreich Bayern

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buntfarbige Bändehen herum. Nun sendet das Schnittervolk ein 
Dankgebet zu Gott; dann aber umschlingen sich die Paare und tanzen 
um die geschmückten letzten Ähren einen fröhlichen Feldreigen. 
Issst das Getreide unter Sichel und Sense gefallen, so beginnt ein 
anderes wiebtiges Erntegeschäft: das Eintanren. Drei aufgeleiterte 
Wãgen stehen im Hofe, an jedem zwei markige, schneidige Gaule; 
und nun hinaus in das Peldi 
Der Ober- und der „Anderknecht“ geben die Weizengarben und 
Gerstenbüschel auf. Das geht hurtig und wie am Schnürchen, auch 
ohne den Bauern; doch greift dieser auch volbat zu. namentlich bei 
unbeständiger Sonne. 
Die vier Scheunentore steben flügelweit offen. Die Ablader 
harren im Speicherviertel und mit ihnen der Ochs, der „treten“ mub. 
Das erste Weizen- und Gerstenfuder fährt der Bauer eigenhändig 
vom helde in die Scheune und besprengt sie mit einigen DTropfen ge- 
weihten Wassers, damit der Himmel, wie er die goldene Prucht 
auf der Flur geschont, sie auch behüten mõge vor Wirbelsturm, FPeuer 
und Speicherwurm. 
Ein eigenartiges Schauspiel ist es zuzuschauen, wie der soge- 
nannte „Gerstenstock“ emporwächst. Von den Abladern erklimmt 
immer abwechselnd ein anderer die Fuhre um die Gerste vom Wagen 
in das Viertel zu gabeln; die übrigen greifen darnach und werfen sie 
auseinander; der Ochs aber, geführt von einer Manneshand, muß ein- 
trsten. Das tut or anfänglich sehr vergnügt; denn er hält es kür 
einen Spaziergang, bei welchem er sich die Gerstenbüschel weidlich 
schmecken läßt. Aber nicht recht lange; denn er wird steinmüde in 
dem ewigen Herumtreten kreuæ und quer und rundum, schüttelt nun 
mißvergnügt den Kopf, schreit aus voller Kehle: „Mub, muh!“ bläst 
und schnaubt ärgerlich aus der Nase, bohrt ingrimmig seine Hörner 
in das Stroh, setzt sich aut di— Hinterbeine, rastend und wieder— 
käuend und will nicht mehr „treten““ Allein alle seine schlauen 
Hausmittel helfen ihm nichts; er muß, wenn nicht mit guten Worten, 
dann mit Schlägen. So verbleibt er meist drei Tage und Nãchte im 
Speicherviertel und gelangt mit dem wachsenden Gerstenstock immer 
höher und höher hinauf. Ist jedoch die vorletzte Puhre eingetreten, 
so hat der Ochse seine Erntearbeit getan. Nun errichtet man unten 
auf der Tenne einen großen Strohhügel und fährt die letzte Gersten— 
fuhre herein. Zwischen den beiden Strobwänden, Stock und PFuder, 
rutseht alsdann der Ochs hernieder, ganz schön gemütlich. ohne Bein- 
bruch, zum Ergõtzen des gesamten Hofes. 
Ist die gesamte PErnte im Stadel, danun feiert man nach uraltem 
Brauch das „Arnmahl“. Dabei macht der Bauer selbst den Wirt, 
und soll der gute Name seines Hauses nicht Schaden leiden, so muß 
an diesem Ehren- und Freudentage des Dienstvolkes der Schmaus und 
Drank ein sehr reichlicher sein Von Mittagstisch bis tief in die 
Nacht verwandelt sich beim Prutemabi die Bauernstube in einen Tanz
	        
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