316 Fürst Bismarck: Die Kriegsgefahren in den fünfziger und sechziger Jahren.
am Rande eines großen Krieges: es war der Feindschaft von ganz Europa
außer Rußland ausgesetzt, wenn es sich weigerte, auf die westmächtliche
Politik einzugehen, andernfalls aber zum Bruch mit Rußland genötigt,
vielleicht auf lange Zeit, weil der Abfall Preußens vielleicht am schmerz¬
lichsten von Rußland empfunden worden wäre.
Wir waren in ununterbrochener Kriegsgefahr während des Krim¬
krieges. Derselbe dauerte bis 1856, wo er schließlich im Pariser Frieden
seinen Abschluß fand und uns bei dieser Gelegenheit eine Art von Kanossa
bereitete ttn Pariser Kongresse, wovon ich die Verantwortung nicht auf mich
genommen haben würde, und von der ich damals vergeblich abgeraten habe.
Wir hatten gar keine Notwendigkeit, eine größere Macht zu spielen, als
wir waren, und die damaligen Verträge zu unterzeichnen. Aber wir anti¬
chambrierten^ um schließlich zur Unterschrift zugelassen zu werden. Das wird
uns nicht wieder passieren. (Heiterkeit.)
Das war 1856. Schon im Jahre 1857 bedrohte uns die Neus-
chäteller Frage mit Krieg; das ist nicht so bekannt geworden. Ich bin da¬
mals von dem hochseligen Könige im Frühjahr 1857 nach Paris geschickt
worden, um mit dem Kaiser Napoleon über den Durchmarsch preußischer
Truppen zum Angriff auf die Schweiz zu verhandeln. Was das zu be¬
deuten hat, wenn darauf eingegangen wurde, daß das eine weitgreifende
Kriegsgefahr werden konnte, daß das uns in Verwicklung mit Frankreich
sowohl als auch mit anderen Mächten führen konnte, wird jeder einsehen,
dem ich dies mitteile. Kaiser Napoleon war nicht abgeneigt, darauf ein¬
zugehen. Meine Unterhandlungen in Paris wurden dadurch abgeschnitten,
daß Seine Majestät der König sich inzwischen mit Österreich und der Schweiz
über die Sacke aus gütlichem Wege verständigt hatte. Aber die Kriegsgefahr
lag doch auch in dem Jahre vor. Ich kann sagen, daß schon, wie ich aus
der damaligen Mission in Paris mich befand, der italienische Krieg in der
Lust lag, der ein Jahr und etwas später ausbrach, und der uns auch wieder
um Haaresbreite beinahe in einen großen europäischen Koalitionskrieg hin¬
einzog. Wir kamen bis zur Mobilmachung; ja, wir hätten losgeschlagen
ganz unzweifelhaft, wenn der Friede von Villafranca nicht etwas verfrüht
für Österreich, vielleicht rechtzeitig für uus geschlossen wurde; denn wir hätten
den Krieg unter ungünstigen Umständen zu führen gehabt; wir hätten aus
dem Kriege, aus einem italienischen, der er war, einen preußisch-sranzösischen
gemacht, dessen Abschluß, Ende und Friedensschluß nachher nicht mehr von
uns abhing, sondern von den Freunden oder Feinden, die hinter uns standen.
So kamen wir, ohne daß das Kriegsgewölk auch nur ein Jahr den
Horizont uns freigelassen hätte, bis in die sechziger Jahre hinein.
Schon 1863 war eine faum minder große Kriegsgefahr, die dem
1 Im Vorzimmer warten.