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Nähe des Ortes eine Bürsten- und Kammfabrik errichtet, welehe nicht 
weit von der Werkstätte des guten Alten einen reich ausgestatteten 
Verkaufsladen eröffnete. Dem alten Meister wurde nun mancher Kunde 
untreu; ich aber konnte es nicht über das Herz bringen, ihm seine 
kärgliche Einnanme noch mehr zu verringern. Manchmal trat ich auch 
in geine Werkstatt hinter dem ärmlichen Verkaufsraume. Er stellte seine 
Bürsten von Anfang bis Ende mit eigener Hand fertig. Das rohe Hol- 
kaufte er im Walãde, zersägte die Kloben, schnitt, hobelte und polierte 
die Stücke. Das war eigentlich Tischlerarbeit. Dann stand er tagelang 
an seiner Bohrmaschine, deren Rad er mit dem Fuß in Bewegung setzte, 
um die Löcher für die Borsten zu bohren. Das vwar eine feine und 
mühsame Arbeit; denn wenn die Löcher nicht sauber gebohrt sind und 
regelmäßig nebeneinander stehen, so verliert die Bürste ihr Ansehen. 
Darnach äam das Einsetzen der Borsten, die er von den Bauern und 
Schlächtern kaufte. Auch sie forderten noch mancherlei Arbeit, ehe sie 
zum Verbrauch geeignet waren. 
Eines Tages hatte ich Gelegenheit, mir auch einmal die erwãhbnte 
große Bürstenfabrik anzusehen, und der Werkführer hatte die Freundlich- 
LCeit, mir den Betrieb zu zeigen. Zuerst führte er mich in die Tischlerei, 
wo die Holzarbeit besorgt wurde. Die dort beschäftigten Leute waren 
gelernte Tischler, die mit der Bearbeitung des Holzes gründlich vertraut 
Faren und nun, nachdem sie sieh jahrelang nur der Bürstenfabrikation 
zugewandt hatten, über eine ganz besondere Fertigkeit in diesem Arbeits- 
zweige verfügten. Aus der Tischlerei vanderte die Ware zur Bohr- 
maschine, dio mit Dampf getrieben und stets von denselben Arbeitern 
bedient vurde. AMAuch diese Leute hatten bereits eine grobe Sicherheit 
in ihrer Arbeit erreicht. Jetzt wurde ich in einen groben Arbeitsraum 
geführt, in dem Frauen und Mädchen die Borsten sortierten. Aus großen 
Haufen suchten sie die feinen und groben, die weißen und schwarzen 
Haare heraus und legten die gleichartigen in Häufehen vor sich auf 
Tische. Von da wanderten sie weiter, um in wohl noch 20 Unter- 
abteilungen sortiert zu werden. Diese Arbeit wurde ebenfalls von 
weiblichen Arbeitern ausgeführt; denn es gehörten ja nur flinße Hände 
und scharfe Augen dazu, und die haben die Frauen. Der nächste Raum 
beherbergte die eigentliche Bürstenbinderei, in der die Borsten eingesetzt 
wurden. Aber aueh hier verfertigte nicht jeder Arbeiter alle Bürsten- 
sorten; sondern es waren Abteilungen gebildet für die groben, mittleren, 
feinen und feinsten Sorten, und jeder Abteilung varen dafür besonders 
geschickte Arbeiter zugewiesen. Diese blieben meistens dauernd in ihrer 
Abteilung, und nur, venn man merkte, daß ein Arbeiter an Geschick- 
lichkeit 2u- oder abnahm, versetzte man ihn in eine andere. Aber auch 
in der Binderei wurden viele Bürsten noch nicht ganz fertig, sondern 
ein großer Teil ging noch einmal in die Tischlerei zurück, wo die Ober- 
blätter aufgeleimt, verschraubt und die Politur vervollständigt wurdoe. 
Als iceh später wieder einmal zu dem alten Bürstenbinder kam, 
sehilderte ieh im, was ich in der Fabrik gesehen hatte. „Es ist kein 
Wunder,“ sagte der alte Meister nachdenklich, „daß ieh mit denen nieht 
mehr mitkommen kann; denn eine soleh geschickte Arbeitsteilung 
ist in meiner Werkstatt garnicht ausführbar, weil ein Handwerker s0
	        
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