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Hans Sachs.
Vermag auch Blei und Meißel viel,
schwach sind sie gegen den Pinselkiel!
Er bringt nicht nur Häuser und Städte
hervor,
türmt Schlösser und schwindlige Bauten
empor,
nein, was im Anfang Gott erschuf
durch seines göttlichen Wortes Ruf,
das schafft der Maler zu aller Zeit:
Gras, Laubwerk, Blumen auf Feld und
Heid',
den Vogel, wie in der Luft er schwebt,
des Menschen Antlitz, als ob er lebt;
die Elemente beherrscht er all':
des Feuers Wut, des Meeres Schwall.
Den Teufel malt er, die Höll' und
den Tod,
das Paradies, die Engel und Gott.
Das macht er durch Farben dunkel
und klar,
mit geheimen Künsten euch offenbar.
Das hebt sich mächtig durch die Schat—
tierung
nach einer schon entworf'nen Visierung.
Er kann euch alles vor Augen stellen;
nicht deutlicher könnt ihr es je erzählen.
Drauf brütet er sinnig bei Tag und Nacht,
in Traumgebilden sein Geist stets wacht;
er ist an Phantasien reich
und fast dem kühnen Dichter gleich;
um alle Dinge weiß er wohl,
weil er sie alle bilden soll; —
wer zu allen Dingen hat Schöpferkraft,
den rühmt die höchste Meisterschaft.
Michael Behaim.
Du lobst den Maler mir zu hoch;
nützlicher ist der Steinmetz doch.
Des Malers können wir entraten;
er schafft von jedem Ding nur Schatten;
sein gemaltes Feuer wärmt uns nicht;
seine Sonne spendet nicht Schein und Licht;
sein Obst hat weder Schmack noch Saft,
seine Kräuter nicht Duft noch Heilungs—
kraft;
seine Tiere haben nicht Fleisch und Blut;
sein Wein verleiht nicht Freud' und Mut!
Hans Sachs.
Das Sprichwort immerdar noch gilt,
daß, wer die Kunst nicht hat, sie schilt.
Wie nützlich auch ist die Malerei,
so nenn ich euch jetzt der Dinge nur drei:
Was uns die Geschichte als teures Ver—
mächtnis
bewahrte, das prägt sich uns ins Ge—
dächtnis:
Wie der Nürnberger Heer unter Schwep⸗
permann focht,
den Kranz Kaiser Friedrich dem Dichter
flocht.
Wer sich auch nicht auf Schriften versteht,
des Malers Schrift ihm nicht entgeht.
Sie lehrt uns, wie Bosheit und Miß—
geschick,
wie Frömmigkeit bringt Ehr' und Glück.
Zum andern verscheuchet die Malerei
das schwarze Gespenst der Melancholei;
sie lichtet der düsteren Schwermut Schmerz,
verklärt uns das Auge durch Lust und
Scherz.
Zum dritten: Jegliche Kunst erkennt
in des Malers Kunst ihr Fundament.
Der Steinmetz, Goldschmied und der
Schreiner
Formschneider, Weber, der Werkmeister
keiner
entbehrt sie je; warum auch die Alten
sie für die herrlichste Kunst gehalten.
Gott gab zum Heil dem deutschen Land
der Künstler manchen mit hohem Verstand;
doch Albrecht Dürer vor allen glänzt,
der mit echten Künsten das Leben kränzt.
Was er mit Fleiß gesäet, erwachs'
ihm zu reichem Segen, wünscht Hans
Sachs.
Mach Hagen.)
101. Der Dachdecker.
Als Gott die Erde sich zum Thron
mit Berg und Tal erbauet,
auch sie mit Tier und Pflanzen schon
besetzt und nun beschauet:
da fehlt ihr noch ein nötig' Stück:
des Thrones Decke war zurück.